Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung
dem, was ich gelesen hatte – über die Wurzeln
von Wicca im vorchristlichen Europa vor tausenden von Jahren.
Mein Gehirn war immer noch ganz woanders, als ich in Socken die Treppe hinuntertappte. In dem Augenblick kam mein Vater mit Tüten voll Essen von Kabob Palace zur Haustür herein, dem einzigen arabischen Restaurant in Widow’s Vale. Der Duft nach Falafel und Hummus brachte mich langsam wieder in die Wirklichkeit.
Ich ging ins Wohnzimmer, wo die anderen schon versammelt waren.
»Hi, Tante Eileen«, sagte ich und umarmte sie zur Begrüßung.
»Hi, Süße«, sagte sie. »Ich möchte dir meine Freundin Paula Steen vorstellen.«
Paula stand auf und ich wandte mich ihr mit einem Lächeln auf den Lippen zu. Der erste Eindruck war der von Tieren, als wäre Paula von oben bis unten mit Tieren bedeckt. Ich hielt wie angewurzelt inne und blinzelte. Also, ich sah Paula: Sie war ein bisschen größer als ich, hatte rotblondes Haar, das ihr bis auf die Schultern hing, und große blassgrüne Augen. Aber ich sah überall um sie herum auch Hunde und Katzen, Vögel und Kaninchen. Es war seltsam und unheimlich und einen Augenblick lang überkam mich Panik.
»Hi, Morgan«, sagte Paula mit freundlicher Stimme. »Ähm, geht’s dir gut?«
»Ich sehe Tiere«, sagte ich leise und überlegte, ob ich mich hinsetzen und den Kopf zwischen die Knie stecken sollte.
Paula lachte. »Ich kriege die Haare wohl einfach nicht alle ab«, sagte sie sachlich. »Ich bin Tierärztin«, erklärte sie, »und ich komme gerade vom Sonntagsnotdienst. « Sie schaute an ihrem Rock und an ihrer Jacke hinunter. »Ich dachte, mithilfe der Fusselrolle wäre ich einigermaßen präsentabel.«
»Oh, das sind Sie!« Ich kam mir blöd vor. »Sie sehen gut aus.« Ich schüttelte den Kopf und blinzelte zweimal und die seltsamen Hintergrundbilder waren verschwunden. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
»Vielleicht bist du übersinnlich veranlagt«, meinte Paula lässig, als würde sie sagen, ich wäre vielleicht Vegetarierin oder Demokratin.
»Vielleicht ist sie auch einfach nur verrückt«, warf Mary K. strahlend ein und ich versetzte ihr einen Tritt gegen das Schienbein.
Es läutete an der Tür und ich lief hin.
»Wie ist sie?«, flüsterte Bree und trat in die Diele.
Sie ist toll. Aber ich bin ein Freak«, antwortete ich flüsternd, während Bree ihre Jacke an einen Haken hängte.
»Das kannst du mir später erklären«, meinte sie und folgte mir ins Wohnzimmer, um Paula kennenzulernen.
»Okay!«, verkündete meine Mutter ein paar Minuten
später. »Warum kommt ihr nicht rein und setzt euch? Das Essen ist serviert.«
Sobald wir alle saßen und etwas auf dem Teller hatten, dachte ich an das, was ich gesagt hatte. Warum hatte ich diese Bilder von Tieren gesehen? Warum war ich damit herausgeplatzt?
Obwohl ich so daneben war, war das Abendessen toll. Ich mochte Paula vom ersten Augenblick. Sie war warmherzig, lustig und offensichtlich verrückt nach Tante Eileen. Ich war froh, dass Bree da war, die sich mit allen unterhielt und Mary K. ein bisschen auf den Arm nahm. Es war, als gehörte sie zu uns, wäre ein Mitglied unserer Familie. Einmal hatte sie mir erklärt, sie käme unglaublich gern zum Abendessen zu uns, denn es wäre wie in einer richtigen Familie. Bei ihr zu Hause hatte sie normalerweise nur ihren Vater als Gesellschaft. Oder sie aß allein.
Als ich mir noch ein bisschen Taboulé nahm, schaute ich auf und sagte geistesabwesend: »Oh, Mom … es ist Ms Fiorello.«
»Was?«, fragte meine Mutter und tunkte ihr Pitabrot in Hummus. In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Mom stand auf, um ranzugehen. Sie unterhielt sich eine Minute lang in der Küche, dann legte sie auf, kam wieder herein und setzte sich. Sie sah mich an.
»Das war Betty Fiorello«, sagte sie. »Hat sie dir gesagt, dass sie anrufen würde?«
Ich schüttelte den Kopf und widmete mich meinem Essen.
Bree und Mary K. summten die Erkennungsmelodie von Akte X.
»Sie ist übersinnlich veranlagt! « Tante Eileen lachte. »Schnell, wer gewinnt die Play-offs beim Baseball?«
Ich lachte verlegen. »Sorry. Da tut sich nichts.«
Wir aßen weiter und Mary K. neckte mich mit meinen übersinnlichen Fähigkeiten. Zweimal spürte ich den Blick meiner Mutter auf mir ruhen.
Vielleicht öffnete sich in mir etwas, seit ich an dem Kreisritual teilgenommen hatte, seit ich Grenzen verbannt hatte. Ich wusste nicht, ob ich darüber froh sein sollte oder entsetzt. Ich hätte gern mit
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