Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung
oder sogar Ebenholz, mit vier kurzen Bettpfosten. Die Matratze war ein Futon. Das Bettzeug war mit schlichtem cremefarbenem Leinen bezogen und ungemacht. Als
wäre er gerade aufgestanden. Auf beiden Seiten brannten auf niedrigen Tischen Kerzen.
In einer Nische an der Rückseite des Hauses war, in Schatten getaucht, der Rest der Gruppe versammelt. Als Cal uns sah, kam er herüber.
»Morgan. Danke, dass du gekommen bist«, sagte er auf seine selbstbewusste, vertraute Art. »Bree, schön, dich mal wieder hier zu sehen.«
Also war Bree schon einmal in seinem Schlafzimmer gewesen.
»Danke für die Einladung«, sagte ich steif und zog mein Hemd enger um mich. Cal lächelte, nahm uns beide an der Hand und führte uns zu den anderen. Robbie winkte, als er uns sah. Er trank dunklen Traubensaft aus einem Weinkelch. Beth stand neben ihm, mit frisch gebleichtem flachsblondem Haar. Sie hatte etwas dunklere Haut, grüne Augen und einen kurz geschnittenen Afro-Look, der die Farbe mit ihrer Stimmung wechselte. Manchmal sah sie aus wie eine Löwin, fand ich, während Raven aussah wie ein Panther. Sie gaben ein interessantes Paar ab, wenn sie nebeneinanderstanden. Raven war aber noch nicht da.
»Fröhliches Esbat«, sagte Robbie und hob sein Glas.
»Fröhliches Esbat«, sagte Bree. Ich wusste aus meiner Lektüre, dass Esbat nur ein anderes Wort für eine Versammlung war, bei der Wicca-Rituale abgehalten wurden.
Matt saß auf einem niedrigen Samtsofa, Jenna auf seinem Schoß. Sie unterhielten sich mit Sharon Goodfine, die steif auf dem Fußboden saß, die Arme um die Knie geschlungen. War sie nur wegen Cal hier oder hatte Wicca sie irgendwie angesprochen? Ich hatte immer gedacht, sie hätte es leicht, weil ihr Vater Kieferorthopäde war und ihr den Weg durchs Leben ebnete. Sie war vollschlank und hübsch und sah älter aus, als sie war.
»Hier.« Cal reichte Bree und mir Weingläser mit Traubensaft. Ich trank einen Schluck.
Eine Patschulibrise wehte in den Raum, und Raven trat ein, gefolgt von Ethan. Heute Abend sah Raven aus wie eine Nutte, die sich auf S/M spezialisiert hatte. Um den Hals trug sie ein Hundehalsband aus schwarzem Leder, das durch Lederstreifen mit einem schwarzen Lederkorsett verbunden war. Ihre Hose sah aus, als hätte sie jemand in einen Bottich mit schimmernd schwarzem Elasthan getunkt, und dies war das getrocknete Ergebnis. In New York City wäre sie nicht weiter aufgefallen, aber hier in Widow’s Vale hätte ich Geld bezahlt, um dabei sein zu dürfen, wenn sie den Lebensmittelladen betrat. Fand Cal so etwas attraktiv?
Ethan sah aus wie immer: schmuddelig, langes, lockiges Haar und bekifft. Beim ersten Mal, als wir ein Kreisritual gemacht hatten, hatte es mich nicht gewundert, dass die Leute dageblieben waren – viele
Jugendliche probieren alles mal aus. Aber es war interessant, dass bis auf Todd, Alessandra und Suzanne alle wiedergekommen waren, und ich betrachtete sie genauer, als würde ich sie alle zum ersten Mal sehen.
Diese Gruppe hatte in der Schule ein paarmal in einer neuen cliquenübergreifenden Schar zusammen rumgestanden, aber hier waren wir wieder gemäß der alten Muster getrennt: Robbie und ich, Jenna, Matt und Sharon zusammen, Bree zwischen mir und Beth, Raven und Ethan, die zusammen bei den Getränken standen.
»Gut, ich glaube, es sind alle da«, sagte Cal. »Letzte Woche haben wir Mabon gefeiert und einen Verbannungskreis gemacht. Diese Woche hab ich mir gedacht, machen wir nur einen informellen Kreis, um einander besser kennenzulernen. Fangen wir an.«
Cal nahm ein Stück weiße Kreide und zog einen großen Kreis, der fast den ganzen Bereich in diesem Teil des Dachbodens umfasste. Jenna und Matt standen auf und schoben das Sofa zur Seite.
»So einen Kreis kann man mit allem machen«, sagte Cal ungezwungen, während er ihn zeichnete. Auf dem Boden waren die verwischten Umrisse anderer Kreise zu sehen. Mir fiel auf, dass das Ergebnis, obwohl er freihändig zeichnete, fast vollkommen rund und symmetrisch war, wie letzte Woche im Wald, wo er den Kreis mit einem Stock in die Erde gezogen hatte. »Es kann
ein Stück Seil sein, ein Kreis aus Dingen, wie zum Beispiel Muscheln oder Tarotkarten oder sogar Blumen. Der Kreis repräsentiert die Grenzen unserer rituellen Sphäre.«
Wir traten in den Kreidekreis. Cal schloss ihn, genau wie in der vergangenen Woche. Was würde passieren, wenn einer von uns hinaustrat?
Cal nahm eine kleine Messingschale mit etwas Weißem. Einen besorgten
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