Das Buch der Schatten 2
weg.
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VERBUNDEN
3. Januar 1982
Letzte Nacht hat der alte Towson wieder drei Schafe verloren. Und das nach all dem Abwehrzauber, den wir vergangenen Monat vollzogen haben. Jetzt ist der größte Teil seiner Herde tot und er ist nicht der Einzige. Er hat heute im Eagle and Hare gesagt, er wäre erledigt – er hat nicht mehr genug Mutterschafe, um noch mal von vorn anzufangen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Rest auch noch zu verkaufen.
Ich habe das Gefühl, ich tue nichts anderes, als herumzugehen und magische Sprüche zur Abwehr von Bösem anzuwenden. In der letzten Woche habe ich Mas Bein mit einem magischen Spruch belegt, nachdem sie es sich gebrochen hatte, als sie mit dem Fahrrad ins Dorf fuhr. Aber selbst danach sagte sie, es tue ihr weh und heile nicht richtig.
Ich will hier weg. Eine Hexe zu sein tut heutzutage niemandem gut, sondern führt vielmehr zu großem Leid. Es ist, als läge ein Schleier über uns, der uns unserer Kraft beraubt. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Angus weiß es auch nicht. Er macht sich Sorgen, auch wenn er versucht, sich nichts anmerken zu lassen.
Verdammt! Ich dachte, wir hätten das Böse hinter uns gelassen! Jetzt sieht es so aus, als hätte es nur geschlafen, mitten unter uns geschlafen, in unseren Betten. Der Winter hat es wieder geweckt.
– Bradhadair
Als ich am Mittwochmorgen darauf wartete, dass meine Toasts braun wurden, hörte ich oben Schritte.
»Mary K.!«, sagte ich. »Wer ist oben?«
Mary K. blinzelte. »Mom«, sagte sie und wandte sich wieder ihrem Trickfilm zu. »Sie macht heute krank und bleibt zu Hause.«
Ich sah zur Decke. Mom blieb nie zu Hause. Sie hat Leuten schon Häuser mitten in einem Schneesturm gezeigt und da hatte sie obendrein die Grippe.
»Was ist denn mit ihr?«, fragte ich. »Gestern Abend ging’s ihr doch noch gut, oder?« Sie und mein Vater waren zum Essen ausgegangen, etwas, was sie so gut wie nie machten. Ich hatte das Gefühl, sie gingen mir aus dem Weg, und ich hatte auf sie gewartet, doch um halb zwölf hatte ich aufgegeben und war ins Bett gegangen.
»Ich weiß nicht. Vielleicht wollte sie nur mal einen freien Tag.«
»Hm.« Vielleicht war das meine Chance: Ich konnte nach oben gehen und sie hier und jetzt zwingen, mir all meine Fragen zu beantworten. Allerdings würde ich dann zu spät zur Schule kommen. Und in der Schule war
Cal. Abgesehen davon, wenn sie mir etwas sagen wollte, hätte sie es mir inzwischen längst gesagt. Richtig?
Ich seufzte. Vielleicht hatte ich auch jetzt, da sich die Chance bot, Angst, sie zu ergreifen. Angst vor dem, was ich womöglich erfuhr.
Meine Toastscheiben sprangen schwungvoll aus dem Toaster und landeten auf dem Küchentresen. Ich legte eine Käsescheibe dazwischen, wickelte das Sandwich in einem Stück Küchenrolle ein und versetzte meiner Schwester einen sanften Tritt.
»Gehen wir«, sagte ich. »Die Schule wartet auf uns.« Mom war auch noch da, wenn ich heute Nachmittag nach Hause kam. Dann konnte ich immer noch mit ihr reden.
Mary K. nickte und zog ihren Mantel an.
Mein großes Konfrontationsvorhaben lief allerdings ganz und gar nicht nach Plan. Als ich von der Schule nach Hause kam, war ich so geladen, dass ich dachte, es gäbe eine richtige Szene. Ich stürmte hinauf in Moms Zimmer, stieß die Tür auf … und traf sie tief und fest schlafend an. Ihr rotes Haar war auf dem Kissen ausgebreitet und wieder fielen mir die silbernen Strähnen darin auf. Bildete ich es mir ein oder waren es mehr als noch vor drei Tagen?
Sie sah schrecklich müde aus, und ich brachte es einfach nicht über mich, sie zu wecken.
Leise wie eine Maus schlich ich wieder hinaus. Dann rief Tamara an und fragte, ob ich zu ihr kommen könne, um mit ihr für eine Mathearbeit zu lernen, also fuhr ich zu ihr. Alles war mir recht, um bloß aus dem Haus zu kommen.
Ich aß bei Tamara zu Abend, und als ich nach Hause kam, waren Mom und Dad schon ins Bett gegangen.
Ich ging ins Büro und schaltete den Computer ein, denn ich wollte auf ein paar Wicca-Seiten nachsehen, ob ich etwas über die Bedeutung der Runen an Selene Belltowers Türrahmen herausfand. Mindestens fünf davon hatte ich noch deutlich vor Augen. Ich wollte mir auch noch einmal den Familienstammbaum von Maeve Riordan ansehen. Vielleicht hatte ich einen Link oder irgendwelche wichtigen Informationen übersehen.
Während der Computer hochfuhr, saß ich da, kaute auf meinem Daumennagel herum und überlegte. Ein Teil von mir regte
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