Das Buch der Schatten - Böse Mächte: Band 6 (German Edition)
sein gesunder Menschenverstand.
Ich schluckte schwer. Tu’s!, sagte ich mir. Tu’s!
» Ich habe gestern Abend Cal gesehen«, sagte ich leise.
Hunter erstarrte und umklammerte mit den Händen das Lenkrad. Er blickte rasch nach rechts und links und lenkte das Auto dann auf einen Feldweg, den ich nicht einmal gesehen hatte. Wir holperten über Steine und gefrorenen Matsch, bevor wir rund sechs Meter von der Straße weg zum Stehen kamen.
» Wann?« Hunter machte den Motor aus und sah mich an. Er löste seinen Sicherheitsgurt und beugte sich vor. » Wann?«, wiederholte er. » War das, als ich dich auf der Straße gesehen habe?«
» Ja«, gestand ich. » Was ich gesehen habe, war kein Reh. Es war Cal. Er stand auf der Straße und hielt die Hand hoch und da ging mein Auto aus.«
» Was ist passiert? Was hat er mit dir gemacht?«
» Nichts. Wir haben nur geredet«, sagte ich. » Er hat gesagt, er wäre nach Widow’s Vale zurückgekommen, um mit mir zusammen zu sein. Er hat gesagt, er hätte mit Selene gebrochen.«
» Und so einen Mist hast du ihm geglaubt?«, fuhr Hunter mich an. Seine Augen loderten.
Ich reckte das Kinn hoch. » Ja.« Bei seinem verächtlichen Tonfall fühlte ich mich klein, gekränkt. » Ich habe tàth meànma mit ihm gemacht. Er sagt die Wahrheit.«
» Göttin.« Hunter spuckte das Wort förmlich aus. » Wie kannst du nur so verdammt dämlich sein? Du hast schon einmal tàth meànma mit ihm gemacht und trotzdem hat er dich an der Nase herumgeführt.«
» Aber diesmal habe ich es kontrolliert!«, rief ich.
» Das glaubst aber auch nur du. Warum hast du mich angelogen?« Er kniff die Augen zusammen. » Er hat dich doch mit einem magischen Spruch belegt!«
Bei der Erinnerung daran, wie es gewesen war, als Cal mich tatsächlich mit einem magischen Spruch belegt hatte, fing ich an zu zittern. » Nein. Es war nur… Ich hatte dir gerade kurz vorher von seiner magischen Botschaft erzählt, und da bist du völlig ausgeflippt, und ich dachte, wenn ich dir jetzt erzähle, dass er in der Nähe ist, würdet ihr zwei… ihr würdet kämpfen, und allein bei dem Gedanken wurde mir schlecht.«
» Verdammt richtig, ich bin ausgeflippt!« Hunter hob die Stimme. » Gütiger Himmel, Morgan, wir suchen inzwischen seit drei Wochen nach Selene und Cal! Und ganz plötzlich sagst du: Weißt du was? Ich weiß, wo er ist! Ich meine, was zum Teufel spielst du eigentlich für ein Spiel?«
Ich fand es schrecklich, wie er mich ansah, als würde er daran zweifeln, dass er mir vertrauen konnte– falls er mir je vertraut hatte–, und zu meinem großen Entsetzen fing ich an zu weinen. Ich weinte nicht schnell in Gegenwart anderer, und ich hätte einiges darum gegeben, es verhindern zu können, aber in dem Moment brach alles auf einmal über mir zusammen, und ich knickte ein.
» Ich spiele kein Spiel!«, sagte ich und wischte die Tränen fort. » Ich bin durcheinander, das ist doch menschlich! Ich habe Cal geliebt, und ich will nicht, dass ihr zwei euch gegenseitig umbringt!«
» Du bist aber nicht nur ein Mensch, Morgan«, sagte Hunter. » Du bist eine Hexe. So langsam könntest du dich ein bisschen bemühen, dem gerecht zu werden. Was meinst du damit, du hast Cal geliebt? Was hat denn das damit zu tun? Er wollte dich umbringen! Bist du blöd? Bist du blind?«
» Es war nicht allein seine Schuld!«, schrie ich und sah den lodernden Zorn in Hunters Augen. » Das weißt du ganz genau. Er ist bei Selene aufgewachsen, achtzehn Jahre lang. Was wäre in so einer Situation aus dir geworden?« Ich atmete ein paarmal tief durch, um mich zu beruhigen. » Ich bin nicht blind. Vielleicht bin ich dumm. Hauptsächlich bin ich durcheinander und voller Angst und in Versuchung.«
Er kniff die Augen zusammen und verbiss sich in meine Worte wie eine Schlange in ihre Beute. » In Versuchung? Wodurch? Die dunkle Seite? Oder Cal? Ist es das? Willst du mir sagen, dass du ihn immer noch liebst?«
» Nein! Ja! Hör auf, mir die Worte im Mund umzudrehen! Ich sage doch nur, dass ich ihn geliebt habe und geglaubt habe, er liebte mich, und das habe ich nicht vergessen!«, schrie ich. » Er hat mich in die Magie eingeführt. Er hat mir das Gefühl gegeben, schön zu sein!« Ich hielt schnell den Mund und atmete keuchend.
Drückendes Schweigen legte sich über uns. Ich spürte, dass Hunter sich Mühe gab, seinen Zorn zu bändigen. Was mache ich da bloß?, dachte ich niedergeschlagen.
Dann wurden seine Züge weich. Ich spürte seine Hand im
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