Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
Eduard mußte ihm beim Aussteigen behilflich sein. Kein Licht im Haus brannte, das ein Lebenszeichen von sich geben würde. Nicht den geringsten Anschein, daß hier überhaupt jemand eingezogen war.
„Du mußt jetzt stark sein“, versuchte Eduard ihm zuzureden. Fest legte er seinen Arm um die Schulter seines Freundes. David öffnete das Tor. Geräuschlos ließ es sich aufdrücken. Schritt um Schritt näherten sie sich dem Eingang. Dumpf hallten ihre Schritte durch die Nacht. Cloud warf einen Blick auf seine Kleidung. Immer noch trug er die verbrannte Hose. Trotz des eiskalten Windes frohr es ihn nicht im geringsten. Zitternd suchte er nach seinen Schlüsseln. Zitternd steckte er den Schlüssel in den Zylinder. Warme Luft drang ihnen entgegen, als er die Tür öffnete. Cloud bekam wieder Hoffnung. Vorsichtig tastete er nach dem Lichtschalter. David drückte hinter sich die Eingangstür wieder zu. Totenstille herrschte ihm Haus. Das Licht durchflutete den Vorraum.
„Meni“, rief Cloud mit unterdrückter Stimme. Er löste sich von Eduard und eilte auf das Wohnzimmer zu. Keines der Fensterscheiben war zertrümmert, so wie er es im Traum erlebt hatte.
„Meni“, rief er nun um einiges lauter. Eduard war mit David in das Wohnzimmer gefolgt. David war es, der das Licht einschaltete. Nichts schien sich wesentlich verändert zu haben.
„Ich seh oben nach“, fieberte Cloud. Zwei Stufen auf einmal nehmend stürmte er die Treppe hinauf. Alle Türen waren verschlossen. Auch Larsens Zimmertür, die normalerweise immer einen Spalt offen stand. Leise drückte Cloud die Klinke des Schlafzimmers hinunter. Ein Hauch von Parfüm drang ihm in die Nase.
„Meni“, flüsterte er. Langsam und leise trat er ein. Die Flurbeleuchtung warf einen Spalt in das Schlafgemach. Cloud genügte es, um zu erkennen, daß es leer war. Augenblicklich knipste er das Schlafzimmerlicht an. Die Betten waren unberührt. Hastig wandte Cloud sich um, stürmte auf das Zimmer seines Sohnes zu. Leer! Ebenso Janinas Zimmer. Mitten im Raum befand sich die kleine Wiege – leer!
Clouds Schritte wankten, als er die Stufen hinabschritt. Taumelnd begab er sich wieder in das Wohnzimmer. Eduard und David waren verschwunden. Die Terassentür stand offen. Eisige Luft wehte ihm um die bandagierten Beine.
„Ellinoy“, rief Cloud seinen Freund. Vor der Terrassentür blieb er stehen. Kein Laut war von draußen zu vernehmen. Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit.
„Ellinoy“, rief er ein weiteres Mal. Cloud setzte einen Fuß auf die Terrasse. Im selben Moment hörte er Schritte, die sich vom Garten aus auf ihn zubewegten.
„Ellinoy, bist du es?“
„Cloud“, rief ihm eine weibliche Stimme entgegen. Sekunden darauf tauchte eine Frauengestalt aus der Dunkelheit auf. Gekleidet in einen Mantel, um den Hals hatte sie sich zum Schutz vor der Kälte einen Schal geschlungen.
„Meni“, entfuhr es Cloud. Mit geöffneten Armen trat er seiner geliebten Frau entgegen. „Mein Gott Meni“, hauchte er ihr ins Ohr. Fest drückte er sie an sich.
„Ich habe Licht gesehen“, flüsterte sie. Tränen füllten dabei ihre Augen.
„Wo ist Larsen und – unser Baby?“ Cloud blickte seiner Frau in die Augen.
„Ich hatte solche Angst, Cloud“, erwiderte sie. „Unsere Nachbarn haben mir angeboten, bei ihnen zu übernachten, solange du nicht da bist.“
„Unsere Nachbarn?“ erstaunte Cloud. Meni ließ ihren Blick an ihm hinabgleiten. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück, als sie seine bandagierten Beine sah.
„Was ist mit dir geschehen?“ fragte sie entsetzt.
Cloud wandte seinen Kopf von einer Seite auf die andere. „Ellinoy und sein Bruder müssen irgendwo hier sein“, sagte er etwas beunruhigt. Meni blickte über Clouds Schulter hinweg in das Wohnzimmer. Eduard kam gerade in den Raum geschritten. Gleichzeitig vernahmen sie neben sich ein leises Rascheln. David trat in den Schein des Wohnzimmerlichtes.
*
Der darauffolgende Tag schien ein ganz gewöhnlicher Tag zu werden. Eduard hatte mit seinem Bruder die restliche Nacht im Gästezimmer verbracht. Meni konnte Cloud dazu überreden, die Kinder diese Nacht noch bei den Nachbarn zu lassen. Die gesamte Nacht über durchlöcherte sie Cloud mit Fragen, die er immer wieder geschickt abzuwenden wußte. In den frühen Morgenstunden erst schliefen sie Arm in Arm auf dem Sofa ein. Durch ein Klappern in der Küche erwachte Cloud Stunden später aus einem tiefen traumlosen Schlaf. Meni lag nicht mehr neben ihm.
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