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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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er sich, so schnell es ging, durch den Wald zu schlängeln.
    „Komm!“ trieb Dumpkin Showy dazu an, ihren Weg fortzusetzten. Nach einigen Metern war er Ellinoy wieder dicht auf den Fersen. Showy blieb nichts anderes übrig, als zu folgen. Es fiel ihm schwer, das Tempo einzuhalten. Der Abstand zu Dumpkin vergrößerte sich. Schon fing der Wald an, sich zu lichten. Nur noch wenige Meter, dann hatten sie es geschafft. Ellinoy sprang zwischen den zwei Büschen hindurch ins Freie. Dumpkin folgte ihm auf dem Schritt. Showy hatte noch einige Schritte bis hin zu seinen Freunden. Wieder hörte er plötzlich seinen Namen rufen.
    „Jean, Jean Hensen!“ drang es diesmal noch deutlicher an sein Ohr. Jäh hielt Showy inne. Er getraute nicht sich zu bewegen. Dennoch wandte er langsam seinen Kopf über die Schulter hinweg. Sein Atem stockte. Hinter einem Baum trat diese hagere Gestalt zum Vorschein. Sie hielt einen kleinen Gegenstand in der Hand, den sie emporstreckte. Showy zuckte zusammen. Er wollte schreien, nur noch schreien. Der Fremde, er hatte Champys abgerissenen Finger. Auf einmal verschwand die Gestalt wieder. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Showy zitterte. Sein gesamter Körper bebte. Ellinoy sah das Weiße in Showys Gesicht.
    „Du hast ihn wieder gesehen“, flüsterte Ellinoy in sein Ohr. Ellinoys Stimme beruhigte ihn. Sehr langsam drehte er sich seinem Freund zu.
    „Champys Finger“, hauchte er. „Er zeigte mir Champys Finger.“
    Dumpkin war ebenfalls an Showys Seite getreten. Gerade noch hatte er seine Worte wahrnehmen können.
    „Seinen – Finger?“ wiederholte er. Showy nickte.
    Minuten verstrichen, bis er sich von dem Schrecken wieder erholt hatte. Nun war es Showy, der als erster das Freie betrat. Mit gesenktem Haupt durchschritt er das Eingangstor des Internates. Ellinoy trat dicht an Showy heran.
    „Laß dir nichts anmerken, Showy“, raunte er ihm zu. Showy blickte Ellinoy an. Es fiel ihm schwer, die Tränen in seinen Augen zurückzuhalten.
    „Ich pack das nicht“, entgegnete er bedrückt. „Kapierst du! Er hatte Champys Finger. Verdammt noch mal, er hatte Champys Finger!“
    Nicht weit befanden sie sich vom Lehrerhaus entfernt. Dumpkin tat, als würde er gelangweilt um sich blicken. Dabei wanderte sein Blick an den oberen Fenstern entlang. Im letzten Moment sah er noch, wie jemand hinter einem Vorhang verschwand. Es war das Fenster des Rektorates, das nur leicht angelehnt war. Trotz des kurzen Augenblickes konnte er noch Rouvens rotes Haar erkennen.
    „Still!“ herrschte er Showy an, der etwas laut geworden war. „Wir werden beobachtet.“
    Showy schaute von einer Richtung in die andere. Schon wollte er zum Lehrerhaus emporblicken, da drängte ihn Ellinoy ab.
    „Nicht!“ entfuhr es ihm unsanft. „Du verrätst uns durch deine Blicke!“
    Showy mußte sich beherrschen, nicht die Nerven zu verlieren. Erst schnauzte ihn Dumpkin an, dann Ellinoy. Wütend stampfte er auf den Boden. „Verdammte Scheiße!“ fluchte er vor sich hin.
    Als sie das Lehrerhaus weit genug hinter sich hatten, blieb Dumpkin stehen. Freundschaftlich legte er seinen Arm um Showys Schulter.
    „Nimm’s nicht so krumm“, sagte er zu ihm. „Rotschopf stand am Fenster des Rektorats. Wir können nur hoffen, daß er uns nicht verstanden hat. Das Fenster war nur angelehnt.“
    „Rotschopf“, wiederholte Ellinoy leise. „Wir sollten ihn mal in einer dunklen Ecke abpassen.“
    Dumpkin blickte seinem Freund direkt in die Augen. „Er ist noch nicht lange da“, sagte er ungewöhnlich ruhig. „Wir müssen dafür sorgen, daß er auch nicht mehr lange bleibt!“
    *
    Zur selben Zeit, wie sich Showy, Dumpkin und Ellinoy auf dem Weg in ihr Lager befanden, schlenderte Rouven auf dem Schulhof umher. Der Junge, den Ellinoy mit dem Namen Unsold benannt hatte, begleitete ihn bei diesem Spaziergang. Jeremie Unsold, Sohn eines reichen Industriellen, hatte es geschafft, Rouven mehr oder weniger für sich zu gewinnen. Dabei bedurfte es nicht sehr viel Mühe. Jeremie hatte dieselbe Eigenschaft wie Rouven. Er war unsagbar schüchtern. Durch einen kleinen Geburtsfehler war sein Gesicht in die Länge gezogen. Die Augen, sehr klein, lagen in den Höhlen etwas verborgen. Hinzu mußte er eine sehr starke Brille tragen, die aber wieder den Vorteil besaß, daß das Längliche seines Gesichtes einigermaßen unauffällig erschien. Durch einen Zufall hatten sie sich kennengelernt, wobei Schwester Maria diesem Zufall etwas nachgeholfen hatte.

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