Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
mehr.“
Dumpkins Gesichtsausdruck war plötzlich wie versteinert. Entsetzen stand in seinen Augen geschrieben.
„Auf einmal sah ich den Rotschopf, dann den Pater. Sie starrten auf Sallivan. Sie starrten ihn nur an. Plötzlich stand auch noch Mr. Goodman hinter ihnen. Mr. Goodman und Pater Richmon schleiften dann Sallivan den Weg entlang, auf dem ihr mich gefunden habt. Am Ende des Weges befand sich ein Friedhof.“ Showy bemerkte nicht, daß Dumpkin einen Schweißausbruch nach dem anderen bekam. Wie in Trance versetzt erzählte er weiter von seinem Traum.
„In dem Friedhof stand eine kleine Hütte. Dort schleiften sie Sallivan hinein. Jeremie befand sich auch in der Hütte. Zugedeckt mit einem weißen Tuch. Dann hat der Pater die Hütte wieder verlassen. Er wollte zurück. Auf einmal sah ich, wie sich Sallivans Finger bewegten. Sie griffen nach Mr. Goodmans Bein. Mr. Goodman schlug auf Sallivans Gesicht. Plötzlich hielt er ein Messer in der Hand. Er schnitt Sallivan – er schnitt ihm die, die Hand ab.“ Showy würgte es. Er rang nach Atem, um weitererzählen zu können. „Auf einmal öffneten sich Sallivans Augen. Er grinste, er grinste Mr. Goodman an. Sallivan wollte Mr. Goodman ins Bein beißen. Da hat, da schnitt –“, Showy war nahe daran, sich zu übergeben. „Er schnitt ihm den Kopf ab. Mr. Goodman hat ihm den Kopf abgeschnitten. Einfach abgesch-“ Showy konnte sich nicht mehr beherrschen. Er schaffte es gerade noch, seinen Kopf über die Bettkante zu heben. Die ganze Zeit über sah er das Gesicht vor Augen, in das er geblickt hatte, als er aus seiner Ohnmacht erwacht war. Und jetzt noch dieser Traum. Hautnah hatte er ihn erlebt. Hautnah, als wäre er unmittelbar dabei gewesen. Sogar das Geräusch, als Goodman das Messer durch Sallivans Hals wetzte, konnte er deutlich hören.
Übler Geruch verbreitete sich im Zimmer. Showy würgte und würgte, bis nur noch Galle in seiner Kehle brannte. Aber es schien zu helfen. Wie erleichtert richtete er sich nach wenigen Minuten wieder auf.
„O Gott“, entfuhr es ihm. Mit der Bettdecke wischte er sich den Mund ab.
Dumpkin schien es jedoch nicht zu registrieren. Immer noch starrte er Showy an. Auf einmal wurde die Zimmertür geöffnet. Langsam und leise. Showy stockte der Atem. Sein Herz drohte, stehen zu bleiben.
Erleichtert atmete er auf. Champy betrat das Zimmer. Dicht gefolgt von Ellinoy. Wie verabredet hatten sie sich im Flur getroffen. Champy rümpfte die Nase. Ohnehin war er schon blaß genug im Gesicht. Der Gestank gab ihm jedoch den Rest. Er begab sich direkt auf das Fenster zu und riß es förmlich auf. Ihn ekelte, als er einen kurzen Blick auf Showys Kotze warf. Ellinoy eilte zu ihm, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Auch ihn widerte dieser Geruch an.
„Was ist denn mit dir?“ fragte er, erst auf Dumpkin blickend, dann auf Showy. Dumpkin sah von Showy auf Ellinoy.
„Habt – ihr es auch geträumt?“ Seine Lippen bebten, als er das fragte. Showy blickte Dumpkin verwirrt an.
„Du meinst – von Sallivan?“ erwiderte Ellinoy erschrocken. Dumpkin nickte. Champy packte Ellinoy am Arm.
„Du auch?“ starrte er ihn an.
Ellinoy musterte einen nach dem anderen. Dumpkin schien sich langsam wieder zu erholen.
„Wir haben es alle geträumt“, stellte Dumpkin fest. Angewidert warf er einen Blick auf die Lache, die vor Showys Bett diesen penetranten Geruch verbreitete. „Ich halt das nicht mehr aus“, flüsterte er und sah auf Showy.
„Ich, ich konnte es nicht mehr zurückhalten“, versuchte Showy sich zu verteidigen.
„Dann wisch’ es wenigstens weg“, entgegnete Dumpkin etwas schroff.
Showy schluckte mehrmals. Alle blickten sie auf ihn.
„Was glotzt ihr mich denn so an?“ Tränen rollten über seine Wangen. „Ich pack das alles nicht mehr. Ich will nach Hause. Ich will weg von hier. Bloß weg!“ Heulend sah er auf Dumpkin. „Das Buch ist schuld daran. Dieses scheißverdammte Buch. Hätten wir es nur nie gefunden.“
„Mensch! Wir dürfen jetzt nicht ausrasten“, zischte Dumpkin. Er griff nach einem Handtuch, das neben ihm auf dem Nachttisch lag. Geschickt warf er es auf das Erbrochene. „Abhauen bringt nichts. Wenn wir das Buch nur lesen könnten. Bin mir sicher, daß dies der Schlüssel dazu ist.“
„Wir haben alle dasselbe geträumt“, sprach Ellinoy nachdenklich vor sich hin. Er ließ seinen Blick durch die Runde wandern. „Wir haben doch alle davon geträumt, wie der Pfeifer von Mr. Goodman
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