Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
Miene blickte er von Champy auf Showy. Für Ellinoy war dies beschlossene Sache. Eine Widerrede hätte er in diesem Moment wahrscheinlich auch nicht geduldet.
Der Speisesaal war bis auf den letzten Platz besetzt. Fast bis auf den letzten Platz. Ellinoy und Dumpkin saßen an diesem Morgen nicht auf ihren Stühlen. Sie befanden sich gerade auf dem Weg in ihr geheimes Lager. Jedoch nicht allein, wie sie stark annahmen. In sicherem Abstand wurden sie verfolgt. Pater Richmon hatte ihnen unmittelbar nach der Pforte aufgelauert. Eine unruhige, beinah grausige Nacht hatte ihm tiefe Furchen durch das Gesicht gezogen. Spuren einer seelischen Folter. Richmon mußte selbst mit sich kämpfen. Das Erlebte, wie ein böser Traum, der niemals enden wollte, brannte es ihn von Gedanke zu Gedanke.
Der Pater hatte sich am Morgen schon auf die Suche nach Mr. Goodman gemacht. Jedoch erfolglos. Sowie Schwester Maria und Rouven. Niergends waren sie aufzufinden. Dafür hatte er beobachtet, wie Ellinoy und Dumpkin anstrebten, das Internat zu verlassen. Geistesgegenwärtig reagierte er und paßte sie außerhalb des Geländes ab. Ständig mußte er an Rouven denken, der sich in allergrößter Lebensgefahr befand. Im stillen sprach Pater Richmon ein Gebet für ihn. An Gott gerichtet, den Jungen vor Goodmans Geisteskrankheit zu beschützen.
Der tiefe Graben war erreicht. Ellinoy half Dumpkin die andere Seite zu besteigen. Richmon zögerte nicht lange. Im Nu schlich er sich lautlos den Hang hinab und ebenso geschickt auf der anderen Seite wieder hinauf. Dumpkin drehte sich immer wieder in seine Richtung, konnte ihn aber nicht erkennen. Dafür war das Baumwerk zu dicht. Auch nutzte er jede Gelegenheit, sich so gut es ging zu verbergen. Plötzlich blieben Ellinoy und Dumpkin stehen. Ein dichtes Dornengestrüpp versperrte ihnen den Weg. Richmon näherte sich bis auf wenige Meter. Ellinoy machte sich auf der Erde zu schaffen. Auf einmal sah Richmon, wie sich ein kleiner Teil des Gestrüpps vor ihnen wegbewegte. Eine Öffnung entstand. Durch diese verschwanden sie. Kurz darauf bewegte sich das Buschwerk in seine Ausgangsstellung zurück. Verblüfft trat er noch dichter an das Hindernis heran. Auf dem Boden lag eine Schnur. Es fiel ihm nicht schwer, den Mechanismus zu erraten. Richmon unterließ es, seine Hand an die Schnur zu legen. Angestrengt versuchte er, durch das Dickicht hindurchzulauschen. Aussichtslos. Nicht das geringste Geräusch konnte er vernehmen. Aber das wog ihn in Sicherheit. Genausowenig konnten sie etwas von seiner Seite aus hören. Vorsichtig versuchte Richmon in das dichte Unterholz einzudringen, mußte jedoch nach wenigen Minuten sein Vorhaben aufgeben. Das Dornengestrüpp zog sich weit entlang. Er würde sich wahrscheinlich Sämtliches dabei aufreißen. So auch auf der anderen Seite. Ausgeschlossen! Ohne Schneidewerkzeug kein Hindurchdringen. Es hieß also warten. Warten und hoffen, daß sich ihr Schlupfwinkel auch tatsächlich direkt hinter dieser Dornenmauer befand. Von den schwernassen Tannenzweigen war sein Mönchsgewand schon stark angenäßt worden. Es machte ihm nichts aus, sich ein Stück weiter vorn in das Unterholz zu drücken. Er fand sogar einen geeigneten Platz, von dem aus er mit etwas Hilfe Blick auf das Dornengestrüpp bekam. Eine Viertelstunde verging, ohne daß sich etwas veränderte. Unentwegt beobachtete Richmon den Teil des Einganges. Plötzlich, ungefähr eine halbe Stunde war vergangen, vernahm er ein deutliches Rascheln. Der Eingang wurde zurückgezogen. Dumpkin verließ als erster das Versteck. Sein Gesichtsausdruck schien verwirrt zu sein. Ellinoy versperrte wieder sorgfältig den Durchgang. Auch seine Augen blickten verstört von einer Richtung in die andere.
„Es war wie elektrisiert“, flüsterte Dumpkin aufgeregt, als sie an Richmon vorbeikamen. „Mein Finger kribbelt jetzt noch davon.“
„Wir müssen etwas tun“, erwiderte Ellinoy. „So schnell wie –.“ Weiteres konnte Richmon nicht mehr verstehen. Er wartete noch einige Minuten, bevor er seinen Unterschlupf verließ. Augenblicklich begab er sich zu dem Dornengestrüpp. Behutsam zog er an der Schnur, die leicht in der Erde verborgen lag. Problemlos ließ sich das Gesträuch dadurch bewegen. Richmon fragte sich immer wieder, wie die Unzertrennbaren zu diesem Versteck gekommen sind. Er staunte nicht wenig, als er das Innere des Lagers betrat. Zu seiner allergrößten Verwunderung stellte er fest, daß es sich in vollkommener Trockenheit
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