Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
zurückkommt.“
„Und wenn es draußen auf uns wartet?“ bemerkte Champy ängstlich. Dumpkin schüttelte seinen Kopf. „Ich weiß nicht was es war, aber dann wäre es hereingekommen.“ Er bückte sich und zog langsam an der Schnur. Champy betrachtete seine verletzte Hand. Panische Angst überkam ihn, wenn er an jene Nacht zurückdachte, in der er seinen Finger verloren hatte. Nun war es wieder da. Champy war, als verspüre er deutlich die Nähe dieses erbarmungslosen Geschöpfs.
Stück für Stück öffnete sich vor ihnen der Eingang. Showy hatte sich bisher noch nicht von der Stelle gerührt. Kaum war der Einlaß geöffnet, ging ein Zucken durch seinen Körper. Noch ehe seine Freunde es verhindern konnten, stürmte Showy zwischen das Dornengestrüpp hindurch.
„Showy“, rief Dumpkin entsetzt, sprang auf und machte sich ebenfalls daran, das Lager zu verlassen.
„Hinterher“, zischte Ellinoy. Champy war eben dabei, Dumpkin zu folgen. Wie besessen rannte Showy durch den Wald. Dumpkin hatte allergrößte Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Kurz vor dem Graben erst hatte er ihn eingeholt. Showy wollte einfach hinunterspringen. Gerade noch konnte Dumpkin ihn davon abhalten.
„Bist du wahnsinnig“, fuhr Dumpkin ihn an.
Mit beiden Händen mußte er Showy festhalten. Unsanft drückte er ihn gegen einen Baum. „Was ist los mit dir“, schnauzte er Showy ins Gesicht. „Willst du dir sämtliche Knochen brechen?“
Showys Augen füllten sich mit Tränen. „Ich will nach Hause“, schluchzte er. „Ich will heim, nur noch heim.“
„Scheiße“, fluchte Dumpkin in sich hinein. Vorsichtig ließ er Showy los. „Sei vernünftig, Showy“, versuchte er ihn zu beruhigen. Unsicher blickte er um sich. Soeben trat Champy an den Rand des Grabens. Dicht gefolgt von Ellinoy.
„Gehen wir weiter“, drängte Ellinoy. Kurz warf er einen Blick auf Showy. „Sei stark“, flüsterte er ihm zu, wandte sich ab und kletterte den Hang hinunter. Champy war mit wenigen Sätzen hinabgesprungen. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, da er mit seiner verletzten Hand wenig anfangen konnte. Ebenso Dumpkin. Nachdem er Showy den Vortritt gelassen hatte, sprang er wie Champy hinterher. Zu zweit halfen sie dann Showy, die andere Seite zu erklimmen. Ellinoy stieg zuletzt den Hang hinauf. Unbewußt, ohne es eigentlich zu wollen, drehte er sich noch einmal um, bevor er den anderen folgte. Schon bereute er seine Neugier. Oder war es nur eine Illusion, ein Trug seiner Angst, die in ihm steckte. Undeutlich sah er eine Gestalt auf der gegenüberliegenden Seite. Verborgen hinter einem Baum. Seltsamerweise fiel sein Blick genau auf diese Stelle. Plötzlich war es wieder da. Ellinoy war, als sehe er es direkt vor sich, auf sich zukommen. Erinnerungen, das sind nur Erinnerungen! Nichts weiter als Erinnerungen. Abrupt wandte er sich um. Showy, der sich vor ihm durch den Wald kämpfte, war schon verschwunden. Ellinoy rannte los. Er nahm keine Rücksicht darauf, ob sich nun ein Ast in seiner Kleidung verharkte, oder er von einem Zweig gepeitscht wurde. Unaufhaltsam stürmte er den unscheinbaren Weg entlang weiter. Das Gefühl, verfolgt zu werden, jeden Augenblick im Genick gepackt zu werden, trieb ihn vorwärts.
„Eduard“, vernahm er auf einmal seinen Namen flüstern. „Eduard Lony.“ Entsetzen ließ seine Nackenhaare sträuben. Als würde es dicht hinter ihm stehen, so deutlich hörte er es flüstern. Noch weiter ließ er seine Beine ausgreifen. Unaufhörlich schienen ihm die Äste ins Gesicht zu schlagen, als wollten sie ihm seine Flucht verhindern.
„Du mußt es holen, Eduard“, flüsterte die Stimme weiter. Ellinoy versuchte ruhig zu bleiben. Es konnte ja nicht mehr lange dauern, dann mußte er seine Freunde eingeholt haben.
„Das Buch, Eduard! Rouven hat es! Rouven Blandow. Er hat es euch gestohlen. Holt es von ihm und gebt es dem Pater. Gebt es ihm – heute abend, Eduard. Heute abend!“
Der Wald lichtete sich. Auf einmal sah er Showy vor sich. Erleichtert atmete Ellinoy auf. Er wußte nicht, hatte er diese Stimme nun wirklich gehört? Hatte sie wirklich zu ihm gesprochen? Unvermindert hetzte er weiter. Nur noch wenige Meter und das ersehnte Freie wäre erreicht. Showy machte langsam. Jäh blieb er auf einmal stehen. Dumpkin und Champy waren ebenfalls stehengeblieben. Erst jetzt bemerkten sie, daß Ellinoy sich weit hinter ihnen befunden hatte. Beinah fassungslos starrten sie ihn an, als er sich ihnen näherte.
„Dein
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