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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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dir nämlich erzählen, dass Hovi dem Gewinner des Wettbewerbs nicht nur den Auftrag, sondern auch die Sklavin gibt.»
    Helgi war verblüfft. «Der Jarl gibt Rúna dem Gewinner? Wieso das?»
    Gullweig zuckte mit den Schultern. «Es ist so, wie es ist. Die Götter entscheiden den Schmiedewettbewerb. Und die Götter entscheiden, wer die Sklavin bekommt.»
    Helgi fuhr sich durch die verfilzten Haare. «Wann soll der Wettbewerb stattfinden?»
    «In sieben Tagen. Du hast also noch genug Zeit, um ein Schwert zu schmieden, das deines Vaters würdig ist.»
    «Sieben Tage   …»
    «Steh endlich auf und mach dich an die Arbeit! Noch niemals hat sich ein Schwert von allein geschmiedet.»
    «Aber der Kryppa hat unser Eisen. Wenn ich es zurückhole, wird Hovi mich zum Tode verurteilen. Du weißt, was Olaf gesagt hat. Für neues Eisen habe ich kein Geld. Und selbst wenn ich welches hätte – es gibt nirgendwo mehr welches zu kaufen.»
    «Dann wende dich an jemanden, der dir weiterhilft.»
    «Wer könnte das tun?»
    «Ingvar.»
    «Ingvar?»
    «Ja, er wird dir helfen; er ist doch dein Freund.»
    Der Gedanke, mit Ingvar zu reden, trieb Helgi einen kalten Schauer über den Rücken. «Aber er ist ein Kammmacher, kein Eisengießer.»
    Gullweig ließ nicht locker. «Er ist Handwerker. Vielleicht kennt er Männer, die Eisenvorräte gehortet haben.»
    Alles in Helgi sträubte sich dagegen, Ingvar um Hilfe zu bitten. Er musste an den Jüngling mit der rasierten Brust und den Ringen in den Brustwarzen denken.
    «Was ist los? Habt ihr euch gestritten?»
    «Das verstehst du nicht, Mutter.»
    «Hältst du
mich
für eine Närrin?»
    «Natürlich nicht   …»
    «Iss etwas und dann mach dich auf den Weg!»
    Gullweig holte ihm ein Stück Brot, das mit Roggen- und Bohnenmehl gebacken sowie mit gebratenen Zwiebeln und Farnwurzeln versetzt war. Es schmeckte angenehm süß.
    Als Helgi sich gestärkt hatte, sagte sie: «Geh jetzt – und kehre nicht eher zurück, bevor du weißt, woher du das Eisen bekommst.»

38.
    Er hatte dem Mann, in dem er sich so getäuscht hatte, niemals wieder in die Augen schauen wollen. Nun kam Helgi sich vor wie ein Bittsteller. Er stand vor dem kleinen Grubenhaus und rang mit sich. Zunächst klopfte er ganz leise und viel zu zaghaft, als dass jemand es hätte hören können.
    Vielleicht ist Ingvar gar nicht allein, überlegte er. Vielleicht ist der Kerl mit den Brustringen bei ihm.
    Die Sonne war bereits untergegangen. Der Himmel über Haithabu verdunkelte sich.
    Helgi klopfte erneut, dieses Mal etwas kräftiger. Aber hinter der Tür regte sich noch immer nichts.
    Ob er zur Feier gegangen ist?, dachte Helgi. Heute ließ Hovi zu Ehren des Donnergottes ein Regenfest feiern, um Thor um das Ende der Dürre zu bitten. Die meisten Menschen aus Haithabu und den umliegenden Dörfern waren auf der Hochburg. Kein anständiger Däne ließ sich ein Fest entgehen.
    Helgi wollte sich gerade wieder abwenden, als er hinter der Tür ein Geräusch hörte. Dann wurde sie geöffnet. Ingvar hatte Ringe unter den Augen und zerzauste Haare. Er sah müde aus.
    «Was willst du?», fragte er.
    «Darf ich hereinkommen?»
    «Warum?» In Ingvars Gesicht war nichts mehr von der Fröhlichkeit zu sehen, mit der er sonst die Menschen bezauberte.
    «Ich   … ich muss mit dir reden.»
    Ingvar drehte sich um und verschwand wieder in der Hütte. Die Tür ließ er offen. Helgi trat ein. Drinnen schien sich nichts verändert zu haben seit Helgis letztem Besuch, bei dem er achtmal beim Taflspiel verloren hatte. In der Werkstatt, im vorderen Bereich des Grubenhauses, sammelte sich der Staub auf einer Werkbank, in die ein Stück Hirschgeweih eingespannt war. Weitere Geweihe waren an Wandhaken aufgehängt. Auf einem Tisch türmten sich Feilen, Messer, Sägen und Spachtel. Auch die Werkzeuge waren von einer Staubschicht überzogen.
    Ingvar schürte das Feuer. «Zum Taflspielen bist du vermutlich nicht hergekommen, oder?»
    Helgi stand unschlüssig herum. «Warum eigentlich nicht», meinte er schließlich.
    Seufzend kramte Ingvar das Taflbrett hervor und schob die Figuren auf die Ausgangspositionen.
    «Fang als Verteidiger an. Vielleicht gewinnst du ja mal», meinte Ingvar.
    Doch nach wenigen Spielzügen hatten Ingvars Figuren die verteidigenden Reihen um den König mühelos durchbrochen.
    «Sei nicht so verkrampft», sagte Ingvar.
    Als Helgi in der zweiten Runde die Rolle des Angreifers übernahm, erinnerte er sich an Gullweigs Rat. Anstatt mit seinen Steinen

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