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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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sofort auf Ingvars Hnefi, einen aus Eibenholz geschnitzten König, loszugehen, versperrte er rasch die Eckfelder.
    «Keine schlechte Idee», meinte Ingvar anerkennend.
    Er versuchte, Helgi in Zugzwang zu bringen, damit dieser die diagonalen Dreierketten auflöste, mit denen die Ecken blockiert waren. Helgi ließ sich jedoch nicht beirren. Mit durchdachten Zügen trieb er Ingvars König in die Enge.
    «Du hast dazugelernt», sagte Ingvar. «Aber nun erzähl mir endlich, was du nach all der Zeit noch von mir willst.»
    «Du hast mich doch auch nicht besucht», entgegnete Helgi.
    «Wenn ich mich recht erinnere, warst du es, der weggelaufen ist. Und warum? Weil du mich mit Swarim gesehen hast. Er ist ein guter Freund, ja und? Ich sage dir doch auch nicht, mit welchen Weibern du was haben darfst undmit welchen nicht. Und dass Swarim ein Mann ist, geht dich einen Dreck an. Die Götter zumindest haben nichts dagegen.»
    Helgi vermied es, Ingvar in die Augen zu schauen.
    «Also – was willst du?»
    Helgi räusperte sich. «Ich möchte   … dich um einen Gefallen bitten.»
    Ingvar hob die Augenbrauen.
    «Ich brauche Eisen», sagte Helgi.
    Ingvar schüttelte den Kopf. «Ich bin Kammmacher und kein Eisengießer. Hast du das vergessen?»
    «Nein, natürlich nicht.» Helgi seufzte. Er nahm den Hnefi in die Hand, drehte und wendete ihn zwischen seinen Fingern.
    «Es ist   … weil   …», begann er stockend. Dann platzte es aus ihm heraus: «Gizur hat Einar ermordet, und ich bin schuld.»
    Ingvar wurde vor Schreck blass und fragte: «Was sagst du da?» Er wirkte betroffen, was Helgi dazu ermutigte, ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Dass er an jenem Abend so getan habe, als hätte er sich verletzt, um die Sklavin treffen zu können. Dass er am nächsten Tag seinen Vater im Wald entdeckt habe, mit zertrümmertem Schädel. Dass die Sklavenbaracke gebrannt und er das Mädchen gerettet habe, das dann zu ihm und seiner Mutter gekommen sei. Dass Hovi ihm den Auftrag entzogen und das Mädchen in seine Gewalt gebracht habe.
    «Ich muss diesen Wettbewerb gewinnen», schloss Helgi. «Und dafür brauche ich Eisen, zehn Barren mindestens. Besser wären zwanzig.»
    Ingvar nagte an seiner Unterlippe. Nach einer Weile schüttelte er entschuldigend den Kopf. «Meine Geschäftelaufen sehr schlecht wegen der Trockenheit und der Hungersnot. Die Menschen können sich kaum noch Lebensmittel leisten. Da hat niemand Geld übrig für einen Kamm. Man plagt sich lieber mit Läusen als mit einem knurrenden Magen.»
    «Vielleicht kennst du jemanden, der mir einige Barren leihen könnte? Einen der Handwerker auf der Baustelle, der   …»
    «Was für eine Baustelle?»
    Helgi biss sich auf die Zunge. «An dem Tag, als ich nach Sliesthorp gegangen bin, habe ich dich gesehen», gab er kleinlaut zu.
    «Wo?»
    «Bei den Munkis. Du hast an den Häusern mitgebaut.»
    «Ich brauche das Geld, um nicht zu verhungern. Der Priester zahlt gut, besser als Hovi an den Wallanlagen.»
    Ingvar lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. «Warum fängst du nicht auch dort an? Die Munkis brauchen jeden Mann – und du hast Kraft für drei.»
    Helgi schüttelte den Kopf. «Der Wettbewerb soll in sieben Tagen stattfinden. Ich brauche die Zeit, um eine Klinge zu schmieden.»
    Ingvar erhob sich. Er ging in die Werkstatt und kehrte kurz darauf mit einem Lederbeutel zurück, den er in seiner Hand hin- und herwiegte. Auf seinem Gesicht lag ein Schatten.
    «Ich hatte dich für einen Freund gehalten», sagte Ingvar. «Aber ich habe mich getäuscht.»
    Helgi wollte etwas sagen, schwieg aber beschämt.
    Ingvar fuhr fort: «Eine Freundschaft sollte schwere Stürme überstehen. Auf Freunde kann man sich verlassen. Ich bin nun einmal so, wie ich bin. Ich habe dir nichts davonerzählt, weil ich befürchtete, dich als Freund zu verlieren. Leider habe ich mich darin nicht getäuscht.»
    Der Beutel glitt Ingvar aus der Hand und fiel zu Boden. Helgi hörte das Geräusch klingender Münzen. Ingvar hob den Beutel wieder auf.
    «Du bist vor mir weggelaufen, und du meidest mich. Aber ich bin immer noch derselbe Mann, der dein Freund war, bevor du mich in jener Nacht im Badehaus mit Swarim gesehen hast. An mir hat sich nichts verändert, nur dein Wissen um mich.»
    Er warf Helgi den Beutel zu. Er fing ihn auf. Drei kleine Silbermünzen kullerten heraus. Helgi schluckte.
    «Das ist alles Geld, das ich besitze», sagte Ingvar. «Nimm es für dein Eisen. Du kannst es mir zurückgeben,

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