Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
dem Tuch gesammelt hatte, über seinem Kopf ergoss.
    Fauchend schoss der Dachs davon.
     
    Helgi wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und schaute sich um. Doch er musste die Augen zusammenkneifen, da die im Sonnenlicht glitzernde Wasseroberfläche ihn blendete. Unter dem Segeltuch, das er in der Nacht als Regenschutz über Björns Fischerboot gespannt hatte, war es stockfinster gewesen.
    Trotz des Sturms und des peitschenden Regens war es ihnen gelungen, mit dem Kahn eine etwa vier Meilen östlich von Haithabu gelegene Bucht zu erreichen. Mitall seiner Kraft war Helgi gegen den aufgewühlten Slien angerudert; er hatte nicht aufgegeben und das wütende Unwetter besiegt.
    Kurz schaute Helgi sich um, denn sie hatten keine Zeit zu verlieren. Hovi würde nicht zögern und ihnen seine Krieger hinterherschicken. Helgi machte sich daran, zunächst Rúna aufzuwecken. Während sie müde die Augen aufschlug, begann er, das Segeltuch einzurollen.
    Der alte Munki erwachte von selbst. Er hatte sich kaum erhoben, als er schon die Arme ausbreitete und lauthals rief: «Da ging alles Fleisch zugrunde, das sich regte auf der Erde: Vögel, Vieh und wilde Tiere und alles, was wimmelte auf der Erde, samt allen Menschen   …»
    Rúna schaute den Alten entgeistert an. «Willst du den Mann wirklich mitnehmen?»
    «Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken», entgegnete Helgi. «Was sollen wir denn sonst mit ihm machen?»
    Sie deutete zum Wald. «Schick ihn zurück in seine Heimat.»
    Helgi betrachtete den Alten, der einen verwirrten, hilflosen Eindruck machte. «Aber er hat mir das Leben gerettet.»
    Rúna verdrehte die Augen.
    «He, alter Mann», rief Helgi, «komm raus aus dem Boot oder sei still.»
    Ansgar nahm wieder Platz. Er zog die Beine an, schlang missmutig die Arme um seine Knie und murmelte vor sich hin: «…   er vertilgte alles Bestehende auf dem Erdboden, vom Menschen bis zum Vieh, bis zum Gewürm und zu den Vögeln des Himmels – alles wurde von der Erde vertilgt   …»
    «Wir nehmen ihn mit», beschloss Helgi. Der alte Mann tat ihm leid, auch wenn ihm dessen Gerede gehörig auf die Nerven ging.
    «…   nur Noah blieb übrig und was mit ihm in der Arche war. Und das Wasser blieb hoch über der Erde, 150   Tage lang. Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an aller Vieh. Und er ließ Wind auf Erden kommen, und die Wetter fielen.»
    Helgi schob den Kahn mitsamt dem lamentierenden Priester ins Wasser, und als der Kiel vom Grund abhob, half er Rúna ins Boot. Dann sprang er selbst hinterher und legte sich in die Riemen. Das Boot glitt rasch aus der Bucht hinaus. Bald darauf erreichten sie das Fahrwasser des Fjords.
    Abgerissene Äste und ganze Bäume trieben in der Strömung. Helgi musste aufpassen, keinen der Stämme zu rammen. Er lenkte mit den Ruderblättern, während er Rúna in den Bug schickte, damit sie ihn vor treibenden Hindernissen warnen konnte.
     
    In der Abenddämmerung erreichten sie die Mündung des Fjords.
    Unmittelbar vor dem Baltischen Meer weitete sich der Slien zu einem flachen See, dessen Ufer von mannshohen Schilfgräsern gesäumt waren. Um sie vor neugierigen Blicken zu schützen, steuerte Helgi das Boot in eine verborgene Bucht. Rúna und Helgi stiegen aus, doch der Munki blieb mit angezogenen Knien im Heck sitzen und rührte sich nicht.
    Helgi reichte ihm eine Hand, um ihm aus dem Boot zu helfen. Kaum hatte Ansgar festen Boden unter den Füßen, zog er etwas unter seiner Kutte hervor. Es war das Buch,das der dunkle Priester gestern Nacht dabeigehabt hatte, als er Helgi töten wollte. Das Buch bestand aus Pergamenten, die man in Helgis Sprache
bókfell
nannte. Es war auch im Norden allgemein bekannt, dass die Christen diese aus Tierhäuten hergestellten Pergamente nutzten, um sie mit Schriftzeichen zu versehen. Die Dänen verwendeten für ihre Runenbotschaften hingegen Knochen, Hölzer oder Steine. Pergament hielten sie für ungeeignet, denn die Häute konnten aufweichen – und genau das war offenbar mit diesem Buch geschehen.
    Als Ansgar es aufschlug, betrachtete er voller Sorge die verschmierten Zeichen. «Das Buch muss sofort getrocknet werden», sagte er. «Zündet ein Feuer an.»
    Doch Helgi schüttelte entschieden den Kopf. «Nicht, solange es noch hell ist. Das Treibholz ist noch immer sehr feucht. Der Rauch wäre weithin sichtbar – weiter als jeder Feuerschein.»
    Auf Ansgars blassem Gesicht bildeten sich vor Erregung rote Flecken. «Siehst du denn nicht, wie

Weitere Kostenlose Bücher