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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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begleitet von den Geräuschen plätschernden Wassers. Helgi schob die Schilfhalme zur Seite, und als er die junge Frau entdeckte, erstarrte er.
    Sie hatte all ihre Kleider ausgezogen. Ihre Haut war bleich wie Schnee, und auf ihrem Rücken zeichneten sich deutlich die rosafarbenen Narben von Gizurs Peitschenhieben ab. Niedergeschlagen hockte sie am Ufersaum, wo sie immer wieder mit der hohlen Hand Wasser über ihren kahlen Kopf schöpfte. Ihr Körper bewegte sich vor und zurück, als würde er sich im Rhythmus einer geheimnisvollen Melodie wiegen.
    Betroffen stellte Helgi fest, dass sie kein Lied sang, wie er zuerst gedacht hatte, sondern heftig schluchzte.
    Eine sanfte Brise streichelte das Schilf, irgendwo auf dem Fjord schnatterten Enten. Möwen zogen kreischend ihre Bahnen am allmählich dunkler werdenden Himmel. Die Sonne tauchte glutrot unter – die Natur zeigte sich nach dem Unwetter von ihrer wundervollsten Seite. Doch die junge Frau, die man als Sklavin Rúna genannt hatte und die nun eine Freie war, weinte herzzerreißend.
    Immer heftiger wurden ihre Bewegungen, wobei sie ihre Finger tief in den schlammigen Sand grub und damit ihre Brüste, ihren Bauch und ihr Gesicht beschmierte, bis große Teile ihrer blassen Haut von einer dreckig braunen Schicht bedeckt waren. Nun fing sie an, sich an den freien Stellen zu kratzen. Ihre Fingernägel hinterließen rote Striemen, aus denen Blutstropfen perlten.
    Helgi war hin und her gerissen. Er wollte ihr helfen. Aber was sollte er tun? Er war ein begabter Holzschnitzer, vielleicht auch ein guter Schmied. Er war groß wie ein Bär und stark wie drei Männer.
    Aber diese in Tränen aufgelöste Frau verunsicherte ihn mehr als der Jarl Hovi.
    Schließlich gab er sich doch einen Ruck, sprang mit einem Satz über das Schilf hinweg, und als er bei ihr war, ergriff er ihre Handgelenke, damit sie sich nicht weiter verletzen konnte.
    Entgeistert und wie aus einem bösen Traum gerissen, schaute sie zu Helgi auf. Ihre Augen schimmerten tränenfeucht.
    «Ich wasche mich», stieß sie gepresst hervor. «Ich   … ich muss mich waschen. Versteh doch. Der ganze Schmutz aus der Schmiede und dem Sklavenhaus hat sich in meine Haut gefressen. Ich stinke wie eine Ratte!»
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. «Ich bin hässlich, so hässlich   …»
    Helgi legte einen Arm um ihre Schultern, um ihr aufzuhelfen. Sie ließ es gewähren. Als sie voreinander standen, spürte er ihre feuchte Haut unter seinen Händen. Sie wandte ihm das Gesicht zu, und für einen Moment schaute sie ihn so eindringlich an, dass Helgi das Gefühl hatte, er würde in ihrem Blick versinken. Ihre Lippen öffnetensich. Doch als Helgi sich zu ihr hinunterbeugen wollte, landeten unweit von ihnen zwei Enten laut schnatternd auf der Wasseroberfläche.
    Der Zauber des Augenblicks war zerstört.
    Die Lippen des Mädchens schlossen sich wieder, und als Helgi sie durch das Schilf aufs Trockene führte, zitterte sie am ganzen Körper. Er ließ sich ins Gras nieder, während sie sich wieder anzog und sich schließlich neben ihn setzte. So verharrten sie für eine Weile schweigend und schauten verlegen aufs Wasser.
    Es war die junge Frau, die sich schließlich einen Ruck gab. «Hast du einen Fisch gefangen?», fragte sie.
    Helgi schob unauffällig seinen verletzten linken Fuß unter das rechte Bein. «Ich glaube, mit Haken und Ködern hätte ich mehr Erfolg. Vielleicht kannst du mir dabei helfen, ein paar kleine Fische zu fangen.»
    Sie nickte abwesend, machte jedoch keine Anstalten, sich zu erheben. Stattdessen zupfte sie eine weißgelbe Blüte von einem Blumenstängel und warf sie ins Wasser. Rings um die Blüte breiteten sich auf der Oberfläche winzige Wellenringe aus. Der Wind war inzwischen völlig eingeschlafen.
    Helgi räusperte sich. Wenn sie nicht bald zurückkehrten, wäre es zu dunkel zum Köderfangen.
    Da wandte sie ihm das Gesicht zu. Ihre Stimme klang belegt. «Versuch mich zu verstehen, bitte   … das Wasser   … ich brauche es. In Haithabu mussten wir Sklaven in unserem Dreck hausen. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn so viele Menschen in einem Raum leben, schlafen, essen – und ihre Notdurft verrichten? Früher habe ich jeden Tag gebadet. Selbst im Winter, solange das Wasser eisfrei war.»
    Sie stieß einen Seufzer aus. «Weil ich das Wasser so sehr liebe, nannte mich mein Vater, der Ranislav hieß, eine
víly.
So werden bei uns die Wassergeister genannt. Mir gefiel das. Wassergeister sind

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