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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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die Tinte verschwimmt, Däne? Die Wörter sind kaum noch zu erkennen.»
    Helgi wurde wütend. Er war den ganzen Tag gerudert, war erschöpft und hungrig – und der Alte sorgte sich um ein nutzloses Buch.
    «Erst wenn es dunkel ist», sagte er bestimmt und beachtete den Alten nicht weiter. Stattdessen machte er sich daran, die Fischfanggeräte zu untersuchen, die sich im Boot befanden. Er hatte Björn gegenüber ein schlechtes Gewissen, da er ihm mit dem Boot und den Angelsachen die Lebensgrundlage genommen hatte. Aber Helgi hatte keine andere Wahl gehabt. Anerkennend betrachtete er die Geräte. Björn hatte Ordnung gehalten, das musste manihm lassen. Fischmesser, Knüppel, Angelsehnen und eine auf ein Holzbrett gewickelte Langleine waren gepflegt und unversehrt; die gebogenen Haken waren frei von Rost. Unter den Sachen entdeckte Helgi auch einen dreizackigen Fischspeer, dessen Eisenzinken mit Widerhaken versehen waren.
    «Kannst du damit umgehen?», fragte Rúna, als sie neben ihn trat.
    «Natürlich. Ich werde es dir beweisen.»
    Während er sich auszog, musterte sie ihn aufmerksam. Helgi genoss ihre Blicke auf seinem Körper, die ihm auch noch folgten, als er in den Slien stieg. Er stapfte hinein, bis ihm das Wasser bis zu den Oberschenkeln reichte und er den Grund gerade noch erkennen konnte.
    «Geh noch weiter hinein», rief Rúna vom Ufer her. «Bei dem Hochwasser nach dem starken Regen stehen die Fische tiefer.»
    Helgi machte eine beiläufige Geste, um ihr zu verstehen zu geben, dass sie sich keine Gedanken über seine Fischfangfähigkeiten zu machen brauchte. Schließlich war er der Mann, und Jagd und Fischerei waren eindeutig Angelegenheiten der Männer; Frauen hatten andere Aufgaben zu erfüllen. So war es schon immer gewesen, und so würde es immer sein. Die Götter selbst hatten in der Welt diese Ordnung eingerichtet.
    Aufmerksam spähte Helgi ins Wasser und zog seine Bahnen unweit des Schilfgürtels. Doch er entdeckte keinen einzigen brauchbaren Fisch. Lediglich Plötzen und andere kleine Fische flitzten zwischen seinen Beinen hindurch, als wollten sie sich über ihn lustig machen.
    Ob er doch ihren Rat befolgen sollte?, fragte er sich. Sie schien sich mit der Fischerei auszukennen.
    Vorsichtig drehte er sich zum Ufer um, in der Hoffnung, sie würde ihn nicht mehr beobachten, damit er sich keine Blöße zu geben brauchte. Aber sie stand noch immer dort. Und als er sich ins tiefere Wasser aufmachte, erschien ein sanftes Lächeln auf ihrem Gesicht. Helgi tat, als würde er es nicht bemerken.
    «Ich werde es einfach mal etwas tiefer versuchen», rief er ihr zu, als sei ihm dieser Gedanke gerade erst gekommen.
    Rúna nickte verständnisvoll. «Taste mit den Füßen über den Grund, und wenn du auf eine Flunder trittst, musst du sofort zustechen. Aber achte auf deine Zehen.»
    Helgi runzelte die Stirn. Hoffentlich hatten die Götter ihre Augen und Ohren gerade woanders, sonst würden sie sich über ihn lustig machen.
    Als ihm das Wasser bis zum Bauch reichte, begann er mit den Zehen den Grund zu furchen. Auf diese Weise stapfte er langsam und mit vorgehaltenem Dreizack parallel zum Ufer voran. Da spürte er plötzlich unter seinem Fuß die Bewegungen eines Fisches. Eine Flunder! Helgi rammte den Spieß in den Grund. Doch anstatt des Fisches traf er nur seinen linken großen Zeh. Er verzog das Gesicht, um einen Schmerzensschrei zu unterdrücken. Die Flunder schoss in unerreichbare Tiefe davon.
    Helgi fluchte leise. Es war zwar nur eine Kratzwunde, aber sie brannte wie Feuer.
    Als er sich zum Ufer umdrehte, war Rúna verschwunden. Diese Peinlichkeit blieb ihm zumindest erspart.
    Humpelnd kehrte er wieder ans Land zurück, rammte den Speer in den Sand und holte stattdessen die Langleine aus dem Boot. Dieses Fanggerät erschien ihm erfolgversprechender. Allerdings würde er für die Haken Köderbenötigen. Er erinnerte sich daran, dass Björn Fischstückchen verwendete, manchmal auch Würmer. Doch wo sollte er Fische oder Würmer hernehmen?
    Ratlos schaute er sich nach Rúna um. Er sah nur den alten Priester, der sich noch immer um sein Buch sorgte und die Pergamente zum Trocknen in die Luft hielt.
    Helgi beschloss, nach Rúna zu suchen, um sie zu bitten, ihm bei der Ködersuche behilflich zu sein; außerdem fragte er sich besorgt, wo sie wohl steckte.
    Nachdem er wieder in seine Kleidung geschlüpft war, ging er eine Weile am Schilfrand entlang. Da hörte er plötzlich aus einer abgelegenen Bucht ihre Stimme,

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