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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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wunderschöne Wesen. Sie werden aus dem Tau geboren, wenn es regnet und sich ein Regenbogen bildet. Über ihrer weißen Haut tragen sie durchscheinende Kleider. So sitzen sie an den Gewässern und locken mit ihrem Gesang junge Männer an.»
    «Du   … du bist auch wunderschön», warf Helgi ein.
    Sie schüttelte den Kopf. «Du solltest froh sein, dass ich keine
víly
bin. Denn sie können gefährlich werden. Wer sich von ihnen verführen lässt, den ziehen sie unter Wasser, um ihn zu ertränken.»
    «Oh.»
    Sie lächelte vage. Dann legte sich wieder ein Schatten über ihr Gesicht. «Das lange Haar ist das Zentrum ihrer Kraft. Wenn die
víly
nur ein einziges Haar verliert, bedeutet dies ihren Tod. Und nun schau mich an – mein Schädel ist kahl wie der eines alten Mannes.»
    «Aber deine Haare werden nachwachsen, ganz bestimmt. Dann bist du wieder schön wie eine
víly.»
    Eine Böe strich über den Fjord und kräuselte die Oberfläche. Die Blüte wurde von dem Windhauch erfasst, der sie hinter das Schilf trieb, bis sie nicht mehr zu sehen war.
    Helgi hätte Rúna gern nach ihrer Heimat und ihrer Familie gefragt, aber er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Ob sie ihm nun endlich ihren wirklichen Namen verraten würde, jetzt, da sie frei war?
    Er nahm all seinen Mut zusammen. «Du wolltest mir doch noch erzählen, wie dein Name   …»
    Sie lächelte ihn an. Doch bevor sie etwas sagte, wanderteihr Blick an Helgi vorbei, und mit einem überraschten Ausdruck zog sie die Augenbrauen zusammen.
    «Da ist Rauch», sagte sie.
    Helgi wirbelte herum und erkannte sofort, was los war.
    Über ihrem Lager erhob sich eine schwarze Rauchsäule in den klaren Frühabendhimmel. Der Qualm war meilenweit zu sehen. Wahrscheinlich bis nach Haithabu.

2.
    Ansgar schürte das Feuer mit dem Fischspeer.
    In der Nähe des Bootes hatte er einen großen Haufen Treibholz aufgeschichtet. Irgendwie war es ihm gelungen, das feuchte Holz zu entzünden. Während er mit dem Fischspeer in der Glut stocherte, hielt er mit der anderen Hand das Pergament zum Trocknen über das Feuer.
    Helgi riss ihm den Dreizack aus den Händen. «Willst du uns Hovi auf den Hals hetzen?»
    Hastig schob er die brennenden Hölzer auseinander, bis das Feuer kleiner und der Rauch heller wurde. Wütend drehte er sich zu dem Alten um. «Gib mir das verdammte Buch.»
    «Nein», erwiderte Ansgar und versteckte die Pergamente hinter seinem Rücken. «Du bekommst das Buch nicht. Es ist zu wertvoll, als dass es von einem hitzköpfigen Dänen verbrannt werden dürfte. Ich selbst habe das Buch dem Priester abgenommen   …»
    Helgi runzelte die Stirn. «Ja, diesem verrückten Munki.»
    «Verrückt?», entgegnete Ansgar. «Woher willst du wissen, dass er verrückt ist?»
    «Er ist ein Mörder! Er hat meine Mutter getötet! Und wahrscheinlich auch noch andere Menschen.»
    «Woher weißt du das?»
    «Ich habe Gullweig gesehen. Er hat sie erstochen   …»
    Ansgar starrte ihn ungläubig an. «Das   … das kann nicht sein. Er ist ein Christ. Ein Priester.»
    «Und ein Mörder! Rúna hat mir erzählt, dass er ihren Herrn geschlachtet und ausgeweidet hat wie ein Tier. Außerdem warst du doch selbst dabei, Munki, als dieser Christ auch mich töten wollte.»
    Ansgar versank in Gedanken. Nach einer Weile meinte er: «Aber dann wäre es doch umso wichtiger, dass wir herausfinden, was es mit diesem Buch auf sich hat.»
    Helgi zuckte mit den Schultern. «Das Feuer wird erst entzündet, wenn es dunkel ist.»
    «Interessiert es dich denn nicht, warum der Priester deine Mutter getötet hat?»
    «Natürlich!» Helgi funkelte den alten Mann an. «Und es wird der Tag kommen, an dem ich den Munki dafür richten werde. Odin ist mein Zeuge.»
    «Aber ich meine – willst du den Grund nicht wissen?»
    «Die Götter werden den Grund kennen.»
     
    Rúna war am Ufer damit beschäftigt, handlange Weißfische mit dem Messer zu zerteilen, um mit den Fischstücken die Haken der Langleine zu beködern.
    «Woher hast du die Fische?», fragte Helgi überrascht.
    «Aus dem Wasser.»
    «Aber wie   …?»
    «Mit den Händen.»
    Helgi lehnte sich gegen das Boot und beobachtete erstaunt,wie sie geschickt die Köder an den Haken befestigte.
    «Was hast du mit dem alten Mann gemacht?», fragte Rúna, ohne aufzuschauen.
    «Nichts. Ich habe nur das Feuer gelöscht, und nun sitzt er da und jammert darüber, dass sein Buch immer noch nicht trocknen ist.»
    Sie schaute auf. «Wofür soll dieses Buch gut sein?»
    «Die

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