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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Teil des Daches fort und fing sich in Odos Umhang. Schwarzer Stoff wallte auf und verdeckte dem Priester für einen Augenblick die Sicht.
    Sofort schlug Helgi zu und traf den Kopf des Angreifers, der aufstöhnte und einen Schritt zurücktaumelte. Helgi ergriff Rúnas Hand und rannte mit ihr zum Ausgang. Im Laufen bückte er sich nach seinem Schwert.
    Sie erreichten die Tür in dem Moment, als sich einige der Stützbalken lösten. Dann stürzte das Dach mit ohrenbetäubendem Lärm in sich zusammen. Alles, was sich noch in der Schlafkammer befand, wurde unter einer Lawine aus Holz, Stroh und Staub begraben.
     
    In der Stadt war heillose Panik ausgebrochen.
    Überall standen Häuser in Flammen. Noch immer zuckten Blitze in rascher Folge auf und setzten immer mehr Gebäude in Brand. Angefacht von Sturmböen, schossen meterhohe Flammen in den Nachthimmel, und der Wind trieb sie in der dichtbebauten Stadt von Haus zu Haus. Haithabu versank im Chaos. Das Tor zur Welt drohte in einem Feuermeer unterzugehen.
    Ragnarök, der Weltuntergang! Thor schleudert seine Feuerspeere, dachte Helgi voller Entsetzen, als er ins Freie rannte und Rúna hinter sich herzog.
    Menschen liefen schreiend umher und rafften zusammen, was sie tragen konnten, um das wenige Hab und Gut zu retten.
    Schemenhaft erkannte Helgi in den Rauchschwaden Hrolf und Bera. Sie schleppten noch immer mit Wasser gefüllte Eimer heran und versuchten verzweifelt, ihr Haus zu löschen. Björn hatte diesen Kampf bereits aufgegeben; seine Hütte war nur noch Schutt und Asche. Nun wollte er seinen Nachbarn helfen. Aber es war aussichtslos: Das aus Holz, Stroh und Lehm errichtete Gebäude war ein gefundenes Fressen für die gierig um sich greifenden Flammen.
    Helgi war hin und her gerissen. Sollte er die Nachbarn unterstützen, die so gut zu ihm gewesen waren und ihn nicht im Stich gelassen hatten? Nein, er musste fliehen und sich und Rúna in Sicherheit bringen. Hovi und Egil würden sie jagen und töten, wenn sie nicht so schnell wie möglich die Stadt verließen.
    Die beiden hasteten in Richtung Hafen. Doch sie kamen nur langsam voran. Überall in den Gassen herrschte ein großes Durcheinander. Der Rauch war so dicht, dass man kaum die Hand vor Augen sah. Menschen brüllten aus Angst und Verzweiflung, stolperten, fielen hin, rappelten sich wieder auf, versuchten zu löschen. Helgi und Rúna drängten sich an den Menschen vorbei, weiter, immer weiter. Schließlich tauchte vor ihnen der Hafen und das sturmwindgepeitschte Noor auf.
    Fieberhaft suchte Helgi nach einem Boot. Wellen schlugen gegen die Schiffe, deren Masten hin- und herwippten. Geisterhaft blitzten Schaumkronen in der Dunkelheit auf.
    Helgis Wahl fiel auf Björns Fischerkahn, der am Ende einer Landebrücke im aufgewühlten Wasser schaukelte. Helgi löste die Leine, zog das Boot näher an die Brücke und forderte Rúna auf hineinzuspringen. Als sie drin war,reichte er ihr das Schwert hinunter. Bald würden sie in Sicherheit sein! Helgi wollte ihr gerade folgen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.
     
    Helgis erster Gedanke galt Egil. Hatte der Hauptmann sie doch noch gefunden?
    Aber als er herumwirbelte, blickte er in das wutverzerrte Gesicht des schwarzen Priesters. Der Munki blutete aus zahlreichen Wunden. In seinem Gesicht steckten Holzsplitter wie die Stacheln eines Igels. Er griff nach Helgis Kehle und drückte fest zu. Helgi rang nach Luft. Er war stärker als der Munki. Aber er hatte nur eine freie Hand, um sich zu wehren, denn mit der anderen musste er das Bootsseil festhalten.
    Die Augen des Priesters waren aufgerissen. Er schrie: «Und der Himmel öffnet sich, und siehe Dämon, es kommt ein weißes Pferd, und darauf sitze ich, und ich heiße ‹Der Treue und der Wahrhaftige› – und in Gerechtigkeit richte und kämpfe ich. Und ich bin bekleidet mit einem Gewand, das in Blut getaucht ist, und mein Name heißt: ‹Das Wort Gottes›   …»
    Helgi drückte seine freie Hand auf Odos Gesicht und tastete nach dessen Augen. Aber der Priester brüllte weiter: «…   und aus meinem Mund geht ein scharfes Schwert hervor, damit ich die Heidenvölker mit ihm schlage, und ich werde sie mit eisernem Stab weiden   …»
    Der Griff um Helgis Hals war fest wie ein Schraubstock. Ihm wurde schwarz vor Augen, seine Sinne schwanden.
    Da löste sich mit einem Mal die Hand, die Helgi die Luft abgeschnürt hatte. Mit der Rechten zückte Odo ein Messer, in der Linken hielt er einen Gegenstand, den die Munkis

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