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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Nachmittag tauchte eine große Insel vor ihnen auf. Als Helgi auf die Meerenge zwischen der Insel und der Küste zusteuerte, zeigte Teška aufgeregt auf das offene Meer.
    Am Horizont war ein Schiff mit schwarzem Segel aufgetaucht. Es ritt mit großer Geschwindigkeit über die Wellen und hielt ebenfalls auf die Insel zu.
    Bislang hatten sie nur wenige Schiffe gesehen. Drei Handelsschiffe waren weit entfernt auf dem offenen Meer vorübergezogen, ohne dass jemand ihren Fischerkahn beachtet hätte. Warum sollte es bei diesem Schiff anders sein?
    Doch Teška sagte: «Wir müssen uns am Ufer verstecken.»
    Helgi zögerte. Das große Schiff war viel schneller als der Fischerkahn. Es würde die Insel lange vor ihnen erreicht haben.
    «Mach schon – schlag das Ruder ein», drängte Teška besorgt.
    Auch Ansgar war aufmerksam geworden. «Sie hat recht. Es könnten Seeräuber sein.»
    «Víkingr? Woher wollt ihr das wissen?», entgegnete Helgi.
    «Sie haben ein schwarzes Segel», sagte Teška.
    Diese Antwort überzeugte Helgi nicht. In Haithabu legten häufig Schiffe an, deren Segeltücher schwarz gefärbt waren, ohne dass es sich dabei gleich um Seeräuber handelte.
    Dennoch kam er Teškas Wunsch nach und steuerte den Strand an. Die Wellen trieben sie ins flache Wasser. Als Helgi wieder zum offenen Meer schaute, war das schwarze Schiff verschwunden.
    Sie nutzten die Zeit bis zur Nacht, um die Angelleinen vorzubereiten. Teška bestückte die Haken mit glitschigen Würmern, die sie im seichten Wasser aus dem sandigen Grund gebuddelt hatte. Das Beködern war eine schmierige Angelegenheit, denn die Tiere schienen fast nur aus Wasser und einer gelblichen Flüssigkeit zu bestehen, die aus ihnen herausquoll, sobald Teška sie auf die Haken spießte. Die Fische schienen die Würmer jedoch zu mögen. Mit Einbruch der Dämmerung bissen einige Flundern und Schollen an.
    Ansgar, dessen Magenbeschwerden dank Teškas Heiltrank nicht zurückgekehrt waren, zeigte sich redselig. «Nicht weit von dieser Insel entfernt liegt die Burg Starigard. Dort leben die Wagrier, die zum Stammesverband der Obodriten gehören.»
    «Wagrier sind Feiglinge», sagte Teška verächtlich. «Sie machen gemeinsame Sache mit den Sachsen und Franken.»
    Ansgar überhörte den Vorwurf. «Die Slawen sind ein großes Volk», erklärte er. «Ihre Stämme besiedeln die ganze östliche Welt. Es könnte sich wohl kein anderes Volkauf Erden mit ihnen messen – weder die Franken oder die Sachsen noch die Dänen oder die Svea   –, wenn es unter den zersplitterten Geschlechtern der Slawen nicht so viel Streit und Zank gäbe. Den Slawen scheint eine unbändige Streitlust zu eigen zu sein   …»
    Teška wollte etwas erwidern, schluckte ihren Ärger aber hinunter.
    Ansgar fuhr fort: «Aber die Wagrier, die in dieser Gegend zu Hause sind, leben in Frieden mit den Franken, und daher sollten wir morgen eine ihrer Burgen ansteuern, um dort Lebensmittel zu kaufen. Wir können uns schließlich nicht nur von Fischen ernähren.»
    «Du meinst, wir sollten zu dieser Starigard fahren?», warf Helgi ein.
    Ansgar schüttelte den Kopf. «Die Burg Starigard liegt mehrere Meilen im Landesinnern. Bis dorthin ist es ein guter Tagesmarsch durch unwegsames Gelände. Wir wären Räubern schutzlos ausgeliefert. Es erscheint mir daher sicherer, wenn wir uns nicht zu weit von unserem Boot entfernen. Morgen müssten wir eine Flussmündung erreichen, an der eine andere Burg liegt   …»
    «L’ubici!», rief Teška angewidert.
    Sie erhob sich, löste ungeduldig die Bänder ihrer Tunika und ließ ihre Kleider achtlos neben sich auf den Boden fallen.
    Ansgar wandte schamhaft das Gesicht von ihrem nackten Körper ab.
    «Ich gehe schwimmen», sagte Teška und verschwand in der Dunkelheit.
    «Was ist L’ubici?», fragte Helgi, während er beobachtete, wie der schimmernde Körper des Mädchens vom schwarzen Wasser aufgesogen wurde.
    «Eine befestigte Burganlage», antwortete Ansgar. «In meiner Sprache heißt sie
civitas liubice,
was so viel bedeutet wie ‹die Liebliche›. Von dort aus besteht eine Handelsverbindung mit der Hammaburg im Sachsenland. Wir werden in Liubice alles bekommen, was wir für unsere Reise benötigen.»
    «Und womit willst du bezahlen?»
    Ansgar holte den Lederbeutel hervor, aus dem er Helgi die drei Münzen gegeben hatte, nachdem der ihn in Haithabu vor dem Ertrinken gerettet hatte. Mit einem herausfordernden Blick hielt Ansgar Helgi den Beutel entgegen. Helgi senkte

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