Das Buch der Sünden
Trinkschlauch an seine Lippen. Helgi ruderte bis an den Rand der Erschöpfung. Aber er hielt durch – und sie kamen voran, langsam, Ruderschlag um Ruderschlag.
Am Abend legten sie in einer weitläufigen Bucht an.
Helgi ließ das Boot von den Wellen an den Strand tragen. Dann sprang er ins Wasser, zog mit seiner letzten Kraft den Kahn an Land und brach kurz darauf erschöpft zusammen.
Als Teška ihn wieder weckte, war es bereits dunkel. Im Windschutz des Bootes hatte sie einen Lagerplatz für die Nacht eingerichtet und ein kleines Feuer entzündet, über dem sie an Stöcken die am Vorabend gebratenen Aalstücke aufwärmten. Zudem briet Teška kleine Tiere, denen sie das Fell abgezogen hatte. Es waren Eichhörnchen. Sie bevölkerten zu Tausenden die Wälder rund um diese Förde, die die Menschen daher
íkornevórde
nannten.
Helgi schüttelte sich den Schlaf aus den Gliedern und kroch ans Feuer, wo er sich mit dem Rücken gegen das Boot lehnte.
Teška schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln und forderte ihn zum Essen auf. Als er jedoch versuchte, einen der Aalspieße zu nehmen, zitterte seine Hand so heftig, dass das Fischstück in die Glut fiel.
Teška ergriff seine Hände. Das angenehme Gefühl ihrer Berührung linderte für einen Moment seine Schmerzen. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen, um das zu vollenden, wozu sie gestern nicht gekommen waren – sie zu küssen.
«Du bist ja verletzt», rief sie besorgt, als sie seine Handfläche sah.
Helgi nickte. Bereits heute Morgen, kurz nach ihrem Aufbruch, hatte er die ersten Blasen gespürt. Im Laufe des Tages war es immer schlimmer geworden. Viele der Blasen hatten sich durch das Rudern wund gescheuert und waren schließlich aufgeplatzt. Aber er hatte sich nichts anmerken lassen, um dem Priester diese Genugtuung nicht zu gönnen.
Teška nahm einen Aalspieß vom Feuer, befreite das Stück von Gräten und Haut und fütterte Helgi mit dem fettigen Fleisch, wie sie es bei Gizurs kranker Frau Herkia gelernt hatte.
«Wo ist eigentlich der Munki?», fragte Helgi kauend.
Teška deutete zum Meer hinunter, wo Ansgar auf einem großen Stein hockte, das gefurchte Gesicht zur dunklen See gewandt.
Helgi konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. «Wahrscheinlich beschwert er sich bei seinem allmächtigen Gott über mich.»
«Nein, ich glaube, er ist krank.»
«Krank?»
«Er hat …» Teška fiel kein dänisches Wort für das ein, was sie ausdrücken wollte. Sie ging in die Hocke und deutete es an. Dabei zog sie ein schmerzhaftes Gesicht.
Helgi verstand. «
Skíta
. Er hat Durchfall. Vielleicht ist ihm der Fisch nicht bekommen.»
«Oder die Wellen», meinte Teška.
Nachdem Helgi den restlichen Aal und zwei gebratene Eichhörnchen verspeist hatte, ließ er sich von Teška die Hände mit Leinenfetzen verbinden, die sie aus ihrer Tunika gerissen hatte. Anschließend legte er sich in den Sand und schlief sofort wieder ein.
Vor der Weiterfahrt am nächsten Morgen versorgte Teška seine Handflächen mit einer Heilsalbe aus Aalfett und Kräutern. Die Blasen brannten noch immer wie das Feuer von Hel, aber Helgi biss die Zähne zusammen, als er das Boot zu Wasser ließ.
Ansgar saß wieder im Heck. Doch heute schwieg er und starrte trübsinnig in die Ferne und litt still vor sich hin.
Die Küstenlinie verlief nach der Eichhörnchenbucht in südöstlicher Richtung, sodass der unvermindert stark wehende Südwind ihr Boot nicht mehr direkt von vorn traf. Dennoch kamen sie weiterhin nur sehr langsam voran.
Bei jedem Riemenschlag spürte Helgi die offenen Wunden. Er konnte nur noch mit halber Kraft rudern, und an ein Hissen des Segels war nach wie vor nicht zu denken. Der starke Wind hätte das Tuch sofort zerrissen.
Am späten Nachmittag gab Helgi auf.
Mit letzter Kraft landete er oberhalb einer Meeresbucht, die sich keilförmig ins Landesinnere erstreckte. Während sich Teška um Helgis Hände kümmerte, verschwand Ansgar sofort hinter den Dünen, um sich zu erleichtern.
Teška war besorgt. «Du kannst nicht mehr weiterrudern.»
Helgi betrachtete seine aufgeplatzten Hände. Die Wunden hatten sich an mehreren Stellen in das Fleisch gefressen.
«Was wir brauchen, ist ein günstiger Wind», sagte er betrübt.
Nach einer Weile kehrte Ansgar zurück. Er war blass und wirkte unglücklich. Anstatt sich zu den beiden anderen zu gesellen, schlurfte er zu einem Stein, der in einiger Entfernung am Ufer lag.
Dort saß er noch, als es dämmerte und Teška ein Feuer
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