Das Buch der Sünden
bleiben.»
«Ich glaube, du tust ihm Unrecht. Er hat es sicher nicht so gemeint, als er so abfällig über eure Götter gesprochen hat. Diese Munkis sind halt davon überzeugt, dass es nur ihren Gott gibt.»
Teška zuckte mit den Schultern. «Ich werde mich bemühen, freundlicher zu ihm zu sein.»
In dem Moment drückte eine kräftige Böe das Schilf nieder und ließ die Halme rascheln. Am Himmel waren dunkle Wolken aufgezogen. Das Wetter schlug um.
«Da braut sich etwas zusammen», sagte Helgi mit sorgenvollem Blick in den Himmel. «Wir werden hier wohl noch eine Weile ausharren müssen.»
Teška schüttelte energisch den Kopf. «Wagrier sind gefährliche Menschen. Sie werden uns an die Franken verkaufen – aber ich werde niemals wieder in die Sklaverei gehen. Lieber sterbe ich!»
Helgi zog demonstrativ sein Schwert. «Nicht, solange ich das hier bei mir habe.»
«Kannst du denn damit umgehen?»
Helgi wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Natürlich war er stark. Aber er musste sich eingestehen, dass er noch niemals mit einem Schwert gefochten oder gar einen Mann getötet hatte. Aber das konnte er Teška nicht verraten.
«Ich werde dich beschützen», versprach er.
Teška schenkte ihm ein vages Lächeln.
Plötzlich waren in der Nähe laute Stimmen zu hören. Helgi sprang hoch und richtete sich zu voller Größe auf, um über das Schilf hinwegspähen zu können. Er stieß einen Fluch aus, als er Ansgar mit wehender Kutte in ihre Richtung rennen sah.
«Das Boot! Lasst sofort das Boot zu Wasser!», brüllte Ansgar.
Er wurde von einem Dutzend Männer verfolgt, die mit Rundschilden, Lanzen und Schwertern bewaffnet waren. Einer der Soldaten schleuderte eine Lanze hinter Ansgar her, doch sie verfehlte ihn um Haaresbreite.
Eilig rafften Helgi und Teška ihre Sachen zusammen, warfen sie ins Boot und schoben es in den Fluss.
«Wartet auf mich!», rief Ansgar, als er sich einen Weg durch den Schilfgürtel bahnte und auf die Bucht zuhastete.
Helgi hielt das Boot im knietiefen Wasser, bis der Alte bei ihm war. Er packte ihn unter den Armen und hievte ihn an Bord. Dann sprang er selbst hinterher, wobei er den Kahn kräftig abstieß. Sie hatten die Bucht kaum hinter sich gelassen, als die Soldaten aus dem Schilf hervorstürmten und wütende Worte in einer Sprache brüllten, die Helgi nicht verstand. Er ruderte, so schnell er konnte. Bald darauf waren die Stimmen der Männer nicht mehr zu hören.
«Schnell weiter», forderte Ansgar. «Wir müssen am Hafen vorbei sein, bevor sie uns eingeholt haben.»
Ihr Fischerkahn glitt unterhalb der Burg L’ubici an der Insel vorbei. Die aufgebrachten Wagrier verfolgten sie unterdessen an Land. Sie überquerten die Brücke undhielten auf den Hafen zu, den das Boot gerade passierte. Schon sprangen die Männer in ein schmales Kriegsschiff und lösten die Leinen. Ruder wurden ins Wasser getaucht.
Ansgar war erschüttert. «Ich dachte, die Stadt stünde noch immer unter fränkischer Verwaltung. Aber es scheint einen Konflikt gegeben zu haben. Als ich mich den Soldaten als Franke vorstellte, wollten sie mich töten.»
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. «Trotzdem habe ich das hier ergattern können!» Er öffnete eine Ledertasche, aus der er mehrere Laib Brot, geräucherten Fisch sowie Käse und Fleisch hervorholte. «Natürlich habe ich dafür bezahlt», fügte er hinzu.
Aber an Essen war jetzt nicht zu denken. Das Schiff der Wagrier holte rasch auf, und es war bald bis auf eine Schiffslänge herangekommen. Am Vordersteven machten sich zwei Soldaten mit Langbögen bereit und legten Pfeile auf die Flüchtenden an.
Helgi sah nur einen einzigen Ausweg. Er rief den anderen zu, sie sollten sich festhalten. Dann vollführte er mit dem Fischerkahn ein waghalsiges Manöver, indem er das linke Ruder hart durchzog. Das Boot drehte sich blitzschnell dem der Burginsel gegenüberliegenden Ufer zu, als die Pfeile durch die Luft zischten und nur knapp das Boot verfehlten.
«Hier sind große Steine im Wasser», warnte Teška.
Darauf hatte Helgi gehofft, denn die Wagrier nahmen sofort die Verfolgung auf – offenbar hatten sie in der Aufregung die Gefahr vergessen, die unter der Oberfläche lauerte. Der Fischerkahn schrammte dicht über die verborgenen Hindernisse hinweg. Das Wagrierschiff hatte jedoch mehr Tiefgang und knallte krachend gegen einen großenStein. Augenblicklich kam es zum Stehen. Mit einem hässlichen Geräusch brachen die Planken am Bug. Von dem Aufprall
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