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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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betroffen den Kopf und stocherte mit einem Stock in der Glut herum. Beinahe hätte er den Vorfall in der Waldhütte vergessen, als er durch das Dach gebrochen und dem alten Mann vor die Füße gefallen war. Dieser schien dagegen nicht vergessen zu haben.
    «Was hast du eigentlich mit dem Silberkreuz gemacht?», fragte Ansgar, ohne die Augen von Helgi zu nehmen.
    Der Stock zerbrach im Feuer, und Funken stoben auf. «Es   … ich   … ich habe es dem Munki gegeben. Ich habe es gegen die Eisenbarren eingetauscht. Wegen des Wettbewerbs. Es tut mir leid. Ohne das Schwert hätte ich die Sklavin, ich meine Teška, nicht aus Hovis Gewalt befreien   …»
    Ansgar legte Helgi eine Hand auf den Arm. «Schon gut. Man wird in der Kirche von Haithabu Verwendung für das Kreuz finden.»
    Helgi war überrascht. «Bist du nicht böse?»
    «Nein. Das Kreuz sollte einen Altar schmücken und nicht das Gepäck eines alten Mannes belasten.»
    Sie schwiegen, bis Teška zurückkehrte. Im Schein des Feuers glitzerten die Wassertropfen wie Edelsteine auf ihrerblassen Haut. Ohne Anstalten zu machen, ihre Nacktheit zu verbergen, ließ sie sich am Feuer nieder, um sich aufzuwärmen. Ansgar wandte erneut den Blick ab.
    Teška deutete fragend auf den alten Mann.
    Helgi zuckte mit den Schultern. «Er ist ein Munki. Vielleicht darf er keine nackten Frauen sehen.»
    «So ist es», murmelte Ansgar in die Dunkelheit.
     
    Ob es nun dieser Jesus gewesen war, der wachsame Obodr, der Wettergott Thor oder Odin selbst – es war Helgi egal, welcher Gott für den günstigen Wind gesorgt hatte. Das Einzige, was zählte, war, dass sie schnell vorankamen. Sie fuhren wieder unter Segel. Dadurch konnte Helgi seine Hände noch eine Weile schonen, denn die aufgeplatzten Blasen, die ständig mit Salzwasser in Berührung kamen, verheilten nur langsam.
    Das Sonnenlicht verfärbte sich bereits rötlich, als sie am Fuß einer weitläufigen Bucht die Mündung eines Flusses erreichten, der, wie Ansgar berichtete, Travena genannt wurde.
    Nachdem Helgi das Segel eingeholt hatte, verband Teška seine Hände mit den eingefetteten Stofffetzen. Er biss die Zähne zusammen und legte sich in die Riemen. Die Stadt befand sich im Landesinnern, mehrere Meilen flussaufwärts.
    In der Dämmerung erreichten sie L’ubici. Der runde Burgwall erhob sich auf einer kleinen Insel, die von der Travena und einem weiteren Fluss, der Szwartowe, umgeben war. Außerhalb des etwa einhundertfünfzig Schritt breiten Walls standen mehrere Dutzend schilfgedeckte Holzhütten. Am Ufer der Insel gab es einen kleinen Hafen, in dem Fischerboote, aber auch einige größere Handelsschiffefestgemacht hatten. Eine Brücke verband die Insel mit dem sumpfigen Gelände, das sich weithin erstreckte. Die Stadt selbst lag im Inneren der Burg und konnte nur durch ein bewachtes Tor betreten werden.
    Auf Ansgars Rat hin fuhren sie zunächst am Hafen vorbei und steuerten dann die Feuchtwiesen unterhalb der Burg an.
    «Es könnte durchaus sein», sagte Ansgar, «dass die Wagrier nicht besonders gut auf Dänen zu sprechen sind, da es in den letzten Jahren immer wieder Auseinandersetzungen gegeben hat. Daher werde ich morgen allein zur Burg gehen.»
    Helgi zog ihr Boot in eine kleine Schilfbucht. Sie wagten nicht, ein Feuer zu entzünden, und schliefen hungrig ein. Helgi hatte sein Schwert griffbereit neben sich gelegt.
    Als er am nächsten Morgen mit steifem Nacken erwachte, war Ansgar bereits aufgebrochen. Teška saß zwischen dem Schilf am Ufer der Travena, wo sie gedankenverloren mit den Füßen im Wasser plätscherte.
    «Hast du den Munki gesehen?», fragte Helgi, als er sich neben sie setzte.
    Sie verneinte.
    Helgi bemerkte, dass ihr Haar allmählich wieder nachwuchs. Es war zwar erst eine knappe Woche vergangen, seit er sie aus Gizurs Gewalt befreit hatte, und die sprießenden Härchen auf ihrer Kopfhaut glichen im Moment eher einer frischgemähten Wiese. Aber er konnte sich noch gut an ihre langen, kastanienbraunen Haare erinnern, als er sie das erste Mal auf dem Sklavenmarkt von Haithabu gesehen hatte.
    Bald würde sie wieder so schön sein wie damals.
    Wie gern hätte er ihr über die raspelkurzen Haare gestrichen, doch er traute sich nicht, sie zu berühren.
    «Ob der Munki überhaupt zu uns zurückkommt?», fragte er stattdessen. «Vielleicht hat er uns nur hierhergeführt, um sich abzusetzen.»
    «Wir brauchen ihn nicht», erwiderte Teška kühl. «Von mir aus kann er bei den verräterischen Wagriern

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