Das Buch der Sünden
sieben Gesichter mit langen Schnurrbärten und grimmigen Mienen hatten. Einige der handlangen Figuren hielten Schwerter, andere Trinkhörner. Außerdem gab es Pferdepuppen sowie dämonische Gesichtsmasken aus Ziegen- und Schafleder.
«Der Herr wird die Götzen vertilgen und die falschen Götter ausrotten …», murmelte Ansgar.
«Stimmt irgendetwas nicht mit eurem Freund?», fragte Damek.
«Er ist ein Munki», sagte Helgi.
Damek drehte sich zu Ansgar um. «He, Christ! Setz dich zu uns. Ich koche uns was Feines.»
Ansgar verzog die Miene. «Wenn du so kochst, wie du Ordnung hältst, dann verschone mich mit deinen Kochkünsten.»
Doch Damek sollte ihn und die anderen eines Besserenbelehren. Nach einer Weile stieg aus dem Topf der angenehme Geruch einer Fleischbrühe auf. Während die Brühe köchelte, schüttete Damek grobes Getreidemehl in eine Holzschale. Das Mehl vermischte er mit Honig und Schweineblut und reicherte die zähe Masse mit Schmalz, Salz und anderen Gewürzen an. Anschließend knetete er alles kräftig durch und formte daraus kleine Klöße, die er behutsam in die Fleischbrühe legte. Nachdem die Klöße kurz gekocht hatten, fischte Damek sie aus der Brühe und schnitt sie in Scheiben. Dann holte er den Topf vom Feuer und legte stattdessen einen Rost darauf, auf dem er die Scheiben grillte. Als sie fertig waren, nahm Damek eine nach der anderen vom Grill und verteilte sie. Helgi und auch Ansgar, der seine Meinung über Dameks Kochkünste rasch geändert hatte, griffen beherzt zu. Einzig Teška lehnte ab.
«Duša, du musst essen», protestierte Damek.
Als sie erneut nur den Kopf schüttelte, wickelte er aus einem Tuch einen schwarzen Klumpen, von dem er einen Streifen abriss. Diesen tauchte er in Honig und hielt ihn Teška hin.
«Das ist gesüßter Birkenteer. Kannst du dich daran noch erinnern? Als Kind hast du diese Süßigkeiten geliebt. Deshalb hatte ich immer welche für dich auf Vorrat.»
Sie nahm das Teerstück, aß es jedoch nicht. Mühsam versuchte sie zu lächeln. Aber ihr Gesicht war wieder von jener traurigen Nachdenklichkeit überschattet, die Helgi schon während der Reise beunruhigt hatte.
«Ich muss wissen, was mit Tetĕslav geschehen ist, Damek», sagte sie.
Die Miene des Toblacs verhärtete sich. «Dieser Bastard! Tetĕslav hat die Herrschaft über Ralsvik an sich gerissen,nachdem dein Vater getötet wurde. So viel Gutes, wie Ranislav für die Menschen hier getan hat, so viel Schlechtes hat Tetĕslav ihnen gebracht. Mich hat er als Zauberer abgesetzt. Dann erhöhte er die Abgaben der Fischer, Bauern und Handwerker …»
«Von wem redet ihr?», fragte Helgi.
«Vom größten Mistkerl, der jemals auf dieser Insel gelebt hat», sagte Damek. «Tetĕslav stammt aus Berghe auf Rujana. Er hatte schon länger versucht, die Macht über Ralsvik zu erlangen, um über die Markt- und Handelsrechte verfügen zu können. Er hat alles versucht, doch bis zu jenem schrecklichen Überfall war es ihm nicht gelungen …»
«Warum hat niemand etwas gegen Tetĕslav unternommen?», fragte Teška.
«Wie denn? Du kennst ihn doch! Der Mann ist unberechenbar, ein großes Unglück für die Ranen.»
Je mehr Damek über die Ereignisse berichtete, die seit Teškas Verschwinden geschehen waren, desto mehr steigerte sich seine Wut. Er erzählte, dass Tetĕslav von den Fischern nicht mehr – wie zuvor üblich – jeden zehnten Hering oder jede zehnte Kiste Flundern als Abgabe verlange, sondern jeden dritten Teil eines Fangs. Genauso sei er mit den Einnahmen der Schmiede, Korbflechter oder Bernsteinsammler verfahren. Viele Menschen hätten diese Tribute jedoch nicht aufbringen können.
«Doch wer sich geweigert hat, den hat der Wojwode Tetĕslav hinrichten lassen.»
«Ist das der Grund, warum die Menschen hier so niedergeschlagen wirken?», wollte Helgi wissen.
Damek nickte. «Der letzte Mann, der es wagte, gegen die Abgaben zu protestieren, war ein Bauer aus dem DorfYaronyczs. Der Mann hat Tetĕslav angefleht, ihm das letzte Schwein zu lassen, weil seine Familie sonst verhungern würde. Doch Tetĕslav hat dem Mann eigenhändig den Kopf abgeschlagen und den Schädel am Hafen ausgestellt. Dass er mit solchen Maßnahmen nicht nur den Menschen, sondern auch sich selbst schadet, ist ihm in seiner Machtgier offenbar gar nicht bewusst. Ralsvik war früher ein blühender Ort. Doch seit Tetĕslav hier herrscht, kommen kaum noch Handelsschiffe. Seine Grausamkeit hat sich überall
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