Das Buch der Sünden
uns hier eingesperrt und wer weiß …»
«Ach, stell dich nicht so an. Sterben müssen wir sowieso.»
Als Helgi wütend aufsprang, flammte ein heftiger Schmerz von der Pfeilwunde in seinem Bein auf. Die Wunde war noch immer nicht verheilt. «Du verrückter Rane!Die Frau, die ich liebe, hat mich verraten – und du willst spielen!»
«Das hat meine Duša nicht getan.»
«Sie hat sich von ihm küssen lassen!»
«Na und? Ich habe Dutzende Frauen geküsst.»
«Sie ist bei ihm geblieben …»
«Setz dich wieder hin», zischte Damek. «Niemand kennt Teška besser als ich. Niemand!»
Helgi ließ sich widerstrebend nieder und streckte das schmerzende Bein neben dem Spielbrett aus.
«Spiel mit mir, dann erzähle ich dir von ihr», sagte Damek.
Helgi stöhnte, gab aber schließlich nach.
Damek übernahm die Verteidigung mit den weißen Steinen, Helgi den Angriff mit den schwarzen. Zunächst konnte der Zauberer parieren. Aber er war ein schlechter Spieler, der noch weniger vom Taflspiel verstand als Helgi. Bereits nach wenigen Zügen hatte Helgi den weißen König, Dameks Hnefi, geschlagen, so wie Ingvar es regelmäßig mit ihm gemacht hatte.
«Jetzt erzähl endlich», sagte Helgi mürrisch.
Damek grinste. «Erst, wenn ich gewonnen habe.»
Helgi rang um Beherrschung. Am liebsten hätte er den Toblac verprügelt. Stattdessen bemühte er sich, so schlecht wie möglich zu spielen. Trotzdem gewann er immer wieder, und es dauerte drei Runden, bis er feststellte, dass Damek immer wieder dieselben Fehler machte. Nun stellte er sich darauf ein, und endlich wurde er von Damek geschlagen.
Der Zauberer jubelte wie ein Kind. Während er die Steine für die nächste Runde vorbereitete, begann er zu reden.
Teška habe einen älteren Bruder gehabt, der jedoch gestorbensei, als sie fünf Jahre alt war und Žiliška gerade erst geboren wurde. Da ihr Vater Ranislav keinen weiteren Sohn hatte, sei Teška die Rolle des Erben zugefallen.
«Sie gab ihr Bestes – und sie wurde die Beste», sagte Damek nachdrücklich.
Teška habe alles gelernt, was ein Junge können musste: Bogenschießen, Reiten, Jagen, Kämpfen und Töten.
Helgi erinnerte sich daran, wie Teška dem Seeräuber in Reric den Schädel mit einem Beil gespalten und ihm selbst das Leben gerettet hatte.
Bald sei Teška allen Jungen in Ralsvik überlegen gewesen, fuhr Damek fort. Was die Jungen ihr später an Körperkraft vorausgehabt hätten, habe sie durch Schnelligkeit und Geschicklichkeit wettgemacht. «Ranislav war stolz auf sein Mädchen», sagte er. «Er war so stolz, wie ein Vater nur sein kann auf sein Kind, auch wenn es kein Junge war.»
«Was wurde aus ihrer Schwester?», fragte Helgi.
«Žiliška? Sie war immer ein merkwürdiges Kind. Ganz anders als Teška. Žiliška war still und in sich gekehrt. Wenn man sie etwas fragte, hat sie den Mund kaum aufgemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie eifersüchtig auf ihre große Schwester war und wahrscheinlich noch immer ist. Ranislav hat sich ja fast nur um Teška gekümmert.»
«Teška hat erwähnt, dass ihre Schwester sie hasst.»
Damek zupfte sich am Schnurrbart. «Hm. Die Menschen erzählen sich, dass Žiliška sich der schwarzen Magie zugewandt hat – allein aus dem Grund, ihre Schwester zu verfluchen. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie dies eines Tages tatsächlich tun würde, um sich an Teška zu rächen. Die beiden sind wie Feuer und Eis.»
Wer Feuer und wer Eis war, konnte Helgi sich gut vorstellen.
«Dann, im Winter vor eineinhalb Jahren», erzählte Damek, «tauchte Tetĕslav in Ralsvik auf. Er ist der Sohn des Wojwoden unserer benachbarten Siedlung Berghe. Sie ist etwa zehn Meilen von hier entfernt und liegt unterhalb des Rugard, einem heiligen Berg. Tetĕslav wollte Teška zur Frau nehmen, um als künftiger Herrscher die beiden Gebiete zu vereinen. Teška mochte ihn nicht, obwohl der Mistkerl sich redlich bemühte und ihr kostbare Geschenke machte – Bernsteine, Glasperlenketten, Felle. Als Tetĕslav ihren Vater um ihre Hand bat, wies Ranislav ihn ab. Unser Wojwode hatte die falsche Schlange aus Berghe durchschaut.»
«Und nun hat er die Macht doch noch an sich gerissen und macht mit eurem Hohepriester gemeinsame Sache», warf Helgi ein.
«Die beiden sind aus einem Holz geschnitzt. Das Einzige, wonach sie streben, ist Macht und Reichtum. Der Hohepriester Žilobog bringt menschliche Blutopfer, um seinen Machtanspruch zu begründen. Angeblich habe unser höchster Gott
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