Das Buch der Sünden
wieder etwas regte. Zunächst erschien Dameks Hand mit einem prallgefüllten Lederbeutel, dann tauchte sein Kopf auf. Erst nachdem der Zauberer seinen fetten Leib durch die Luke gezwängt hatte, schnellte Helgi vor und drückte Damek das Messer an die Kehle.
«Verräter!», zischte Helgi. «Du warst bei Tetĕslav.»
Damek japste nach Luft, der Angriff hatte ihn überrascht. Es dauerte einen Augenblick, bis er wieder Herr der Lage war.
«Deine Hand zittert, Däne», sagte Damek. Nichts deutete darauf hin, dass er Angst vor Helgi hatte.
«Meine Hand zittert nicht zu sehr, um dir den Hals durchzuschneiden.»
«Du bist kein Mörder.»
«Aber bei einem Verräter könnte ich ganz schnell einer werden.»
Damek seufzte. «Nimm das Messer weg!»
Die Geräusche hatten Ansgar geweckt. «Was um Himmels willen macht ihr da?»
«Der Däne will mich umbringen», erwiderte Damek.
«Er hat uns verraten», rief Helgi. «Er steckt mit Tetĕslav unter einer Decke.»
Helgi riss Damek den Beutel aus der Hand und warf ihn Ansgar zu.
«Schau nach», forderte Helgi ihn auf. «Bestimmt hat der Verräter Lebensmittel bekommen, weil er seinem Wojwoden immer brav erzählt, was hier alles so vor sich geht.»
Ansgar öffnete den Beutel. Darin befanden sich mehrere Stücke Käse, ein Brotlaib und Pökelfleisch. «Judas», zischte Ansgar.
«Na, los – stich zu», knurrte Damek. «Oder traust du dich nicht? Wie viele Männer hast du bereits getötet? Ein Dutzend? Fünf? Oder keinen einzigen?»
Helgi drückte die Klinge fester gegen Dameks Hals. Doch dann nahm er plötzlich das Messer weg und rammte ihm stattdessen die Faust in den Bauch. Damek blies die Backen auf. Sein Gesicht lief rot an, und er knickte keuchend zusammen.
«Gesteh endlich», sagte Helgi erregt.
Doch Damek dachte nicht daran. Als er wieder zu Atem gekommen war, sagte er: «Ich habe euch das beste Pökelfleisch gebracht. Und dafür schlägt mich dieser verrückte Däne zusammen!»
Helgi hob erneut die Faust.
«Pö-kel-fleisch!», wiederholte Damek. «Habt ihr vergessen, was ich euch erzählt habe? Von der Kirkja?»
«Die Kirche des heiligen Vitus, in der ein Weib seine Schweine hält?», fragte Ansgar.
Helgi verstand gar nichts mehr.
Damek raffte sich auf und schob die Truhe wieder an ihren Platz zurück.
«Das Weib heißt Woislava. Ich war bei ihr. Sie versorgt mich mit Essen, und ich lege mich dafür zu ihr.»
«Du hast eine Frau?» Ansgar war verblüfft.
«Eine?» Damek grinste schief und rieb sich den Bauch an der Stelle, an der Helgi ihn getroffen hatte. «Schaut mich an. Ich habe einen wohlgeformten Körper. Frauen mögen das.»
Schnaufend ließ er sich auf den Boden sinken. «Setzt euch. Wir werden etwas essen, und dann erzähle ich euch, dass Woislava noch andere Qualitäten hat als einen weichen Busen und einen gutgefüllten Vorratsschrank.»
Helgi rang mit sich, tat dann aber, was Damek gesagt hatte. Sie verteilten Brot, Käse und Pökelfleisch und aßen schweigend.
«Woislava hat scharfe Ohren», sagte Damek schließlich, während er sich den Mund am Hemdsärmel abwischte. «Sie hört viele Dinge, und die, die wichtig sind, teilt sie mir mit.»
Nachdem er die übrig gebliebenen Speisen in einem Fass verstaut hatte, sagte er mit ernster Miene zu den anderen: «Man hat in Ralsvik verkünden lassen, dass Teška Tetĕslav heiraten wird.»
Helgi stöhnte auf. «Ich habe mich also doch nicht getäuscht.»
Damek hob eine Hand. «Immer mit der Ruhe. Noch ist es nicht so weit. Die Hochzeit wird erst in einigen Tagen stattfinden. Es soll eine große Feier auf der Tempelburg Arkona geben.»
Helgi vergrub sein Gesicht in den Händen.
Eisiges Schweigen machte sich breit.
Nach einer Weile fragte Ansgar: «Warum hast du uns nichts von der Geheimtür erzählt?»
«Weil der Däne dann geflohen wäre.»
«Genau! Und warum sollte ich das nicht tun?», fragte Helgi.
Damek schaute ihn fest an. «Weil es deine Aufgabe ist, Teška beizustehen – wenn die Zeit dafür gekommen ist!» Er streckte gähnend die Arme aus. «Wir reden morgen weiter.»
Kurz darauf war er eingeschlafen; auch Ansgar dämmerte weg.
Helgi fand jedoch keine Ruhe. Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Schließlich stand er auf, schlich zu der verborgenen Luke und räumte sie frei. Gab es einen guten Grund, warum er nicht fliehen sollte? Er könnte versuchen, sich nach Haithabu durchzuschlagen. Aber was erwartete ihn dort? Hovi hatte den Vorfall nach dem Wettkampf bestimmt nicht
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