Das Buch der Sünden
Svantevit ihm dies befohlen.»
Damek zog eine Miene, die tiefste Verachtung verriet. «Žilobog und sein Priesterrat verschanzen sich hoch oben im Norden der Insel, in der Tempelburg Arkona. Dort horten sie Edelsteine und Silber und lassen die Schätze von dreihundert der besten Krieger bewachen. Wir, das Volk der Ranen, müssen die Priester und ihre Soldaten versorgen – obwohl viele von uns hungern.»
Was wohl kaum für dich zutrifft, dicker Zauberer, dachte Helgi. Er sprach es aber nicht aus, sondern fragte: «Ranislav war es also, der die Macht des Hohepriesters gebrochen hat?»
Damek nickte.
Ranislav habe über die Jahre ein Bündnis gegen den Hohepriester geschmiedet, erzählte er. Unterstützt vom Ranenkönig Ratibor, hätten sich ihnen immer mehr Wojwoden angeschlossen – aus Szabroda, Ghynxt und Rabyn im Westen, Seracowe im Osten sowie Wyttow im Norden bis nach Tizowe im Süden. Endlich sei es gelungen, die Macht der Priester zurückzudrängen. Kein Mensch sei mehr geopfert worden; die Abgaben an Arkona habe man auf ein erträgliches Maß zurückgefahren.
«Das Wort unseres Königs Ratibor stand mit einem Mal über dem des Hohepriesters Žilobog», erklärte Damek.
«Doch seit dem Überfall der Seeräuber ist alles wieder beim Alten», mutmaßte Helgi.
«Genau so ist es, Däne. Tetĕslav hat sich selbst zum Wojwoden ernannt, und es gab niemanden, der ihn hätte aufhalten können. Denn er hat zusammen mit Žilobog die anderen Wojwoden so lange eingeschüchtert, bis sie aus dem Bündnis ausscherten. König Ratibor blieb nichts anderes übrig, als sich auf seine Burg Charenza zurückzuziehen.»
Helgi nickte betrübt. Tetĕslav war auf dem besten Wege, der mächtigste Mann auf Rujana zu werden – mit Teška an seiner Seite.
16.
Die Tage und Nächte in Gefangenschaft vergingen, ohne dass sich Dameks Vorräte erschöpften. Auch am fünften Tag erfüllte der Geruch von gebratenem Fisch die Hütte. Heute sollte es frischen Dorsch geben, dazu reichte Damek Beeren und Pilze.
«Hast du den Fisch aus deinen Fässern gezaubert?», fragte Helgi überrascht.
«Stell keine Fragen – iss einfach», entgegnete Damek.
Sie verspeisten den Dorsch, und als Damek nach dem Essen eingeschlafen war, zog Helgi Ansgar zur Seite. «Niemand kommt in diese Hütte herein, und niemand kommt hinaus. Woher hat der Zauberer die Waldfrüchte und die Fische?»
Ansgar wusste darauf keine Antwort.
«Ob er wirklich zaubern kann?», wollte Helgi wissen.
«Zauberei ist eine Sünde, so wie Ungehorsam und Götzendienst.»
«Ich glaube, Damek ist es egal, ob es eine Sünde ist.»
Ansgar funkelte Helgi böse an und beendete das Gespräch.
Für Helgi war die Sache jedoch nicht erledigt. Ein schrecklicher Gedanke war ihm gekommen. Was war, wenn Damek mit Tetĕslav gemeinsame Sache machte? Wenn der Fürst ihnen Damek als Aufpasser an die Seite gestellt hatte? Vielleicht unterrichtete er Tetĕslav über alles, was sich in der Hütte tat – und wurde dafür mit Fischen und Beeren belohnt.
Je mehr Helgi darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien ihm dieser Gedanke. Er nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen.
In der nächsten Nacht tat Helgi so, als schliefe er. Damek und Ansgar schlummerten wie gewöhnlich nebeneinander auf dem Lager, während Helgi auf dem harten Boden lag. Er hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig.
Damek schnarchte. Vor der Tür lärmten die betrunkenen Krieger, die die Hütte bewachten. Vom Bodden her rauschte eine Böe über das Schilfdach. Alles schien wieimmer. Später wurden die Krieger leiser; Honigwein und Bier hatten sie müde gemacht.
Die Nacht zog vorüber. Helgi kämpfte gegen die Müdigkeit an und wäre beinahe doch noch eingeschlafen, als sich Dameks Schnarchgeräusche mit einem Mal veränderten. Er grunzte, stöhnte, zog Luft durch die Nase – und erwachte schließlich.
Helgi blinzelte unter halb geschlossenen Lidern hervor. Die Glut des niedergebrannten Kochfeuers spendete noch ein wenig Licht.
Er sah, wie Damek sich vom Lager rollte und zur hinteren Wand der Hütte schlich. Leise räumte er einige Fässer beiseite und rückte eine Truhe von der Wand ab. Dann war er plötzlich verschwunden.
Helgi sprang auf. Im Dunkeln ertastete er hinter der Truhe eine Luke, die sich aufklappen ließ. Eine geheime Tür!
Er nahm Dameks Küchenmesser und setzte sich auf eines der Fässer, um auf die Rückkehr des Verräters zu warten.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich an der Luke
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