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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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hinter eines der Zelte zurück. Diese Männer waren ihm nicht geheuer. Besonders der junge Kerl mit den breiten Schultern und dem schwarzen Haar flößte ihm gehörigen Respekt ein.
    Die Männer überquerten den Zeltplatz in Richtung des Marktes. Plötzlich blieben sie abrupt stehen, als vor ihnen eine junge Frau mit auffallend kurzen Haaren sowie ein prächtig geschmückter Krieger aus einem der Zelte traten. Sofort senkten die drei Männer ihre Köpfe so tief, dass ihre Gesichter von den Kapuzen vollständig verdeckt wurden.
    Die Männer hatten also tatsächlich etwas zu verbergen, frohlockte der Händler und beschloss, seine Information dem herausgeputzten Mann anzubieten, den sie so offensichtlich mieden. Er und die Frau sahen wie ein Hochzeitspaaraus. Die Braut trug ein weißes Leinenkleid, das an Säumen und Taille mit bunten Stickereien versehen war. Der Bräutigam war mit einem feinen Lederwams bekleidet und mit silbernen und goldenen Ketten, Armreifen und Ringen behängt. In seinem Gürtel steckte ein Schwert mit glänzender Klinge und Elfenbeingriff.
    Nachdem die Priester verschwunden waren, verließ der Händler sein Versteck und neigte übertrieben demütig sein Haupt, als er den Bräutigam ansprach. Dessen Miene verfinsterte sich wie eine Gewitterwolke. Als der Händler jedoch erzählte, was er beobachtet hatte, hellte sich die Miene des Bräutigams auf. Er zog den Mann zur Seite, um sich, von allen anderen ungestört, berichten zu lassen, was er gesehen hatte.

22.
    Teška war irritiert, als sie sah, wie Tetĕslav sich mit dem zerlumpten Mann unterhielt. Das war ungewöhnlich. Normalerweise verachtete Tetĕslav mittellose Menschen, und ihre Verwunderung wurde noch größer, als er dem Mann zwei Silbermünzen in die Hand zählte.
    Als Tetĕslav zurückkehrte, fragte sie ihn nach dem Grund. Aber er schüttelte nur den Kopf. Dann ließ er sie stehen, um die weiteren Vorbereitungen für das Hochzeitsfest zu treffen. Teška stand unschlüssig zwischen den Zelten herum. Das Warten machte sie noch nervöser, als sie ohnehin schon war. Nach einer Weile ließ Tetĕslav sie zu sich ins Zelt rufen.
    «Man hat den König gesichtet», eröffnete er ihr. «Der alte Ratibor wird in wenigen Augenblicken Putgarde erreichen.Leg Schleier und Schmuck an. Ich erwarte, dass du die schönste Braut bist, die jemals auf Rujana geheiratet hat.»
    Nachdem sich Tetĕslav auf einen Schemel gesetzt hatte, eilte eine Magd herbei, um seine Stiefel mit Dachsfett einzureiben. Teška legte unterdessen das Geschmeide an; sie gab sich redlich Mühe, die treuergebene Braut zu spielen.
    Plötzlich brüllte Tetĕslav das Mädchen an, weil es beim Wienern das Stiefelleder zerkratzt hatte, und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. Schluchzend rannte das Mädchen davon und holte ein neues Paar Stiefel. Während es sich vorsichtig am Leder zu schaffen machte, betrat einer von Tetĕslavs Kriegern das Zelt und verkündete, dass der König in Putgarde einreite.
    Tetĕslav musterte seine Braut. Sie hatte ihr Gesicht unter dem mit Sehschlitzen versehenen Schleier verhüllt. So verlangte es das Gesetz: Der Schleier war das äußere Zeichen der Braut für die Trennung von der bisherigen Gemeinschaft, von ihrem vergangenen Leben.
    Bevor sie das Zelt verließen, fischte Tetĕslav aus einer Truhe eine kleine Glasflasche. Teška beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er das Gefäß verstohlen unter seinem Mantel verschwinden ließ. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, wandte sie rasch das Gesicht ab.
    Sie hatte diese Flasche schon gestern Abend nach ihrer Ankunft in Putgarde entdeckt – und sie ahnte, welch tödlichen Inhalt sie enthielt.
     
    Teška erschrak beim Anblick des Königs, den sie von klein auf kannte.
    So wie die anderen Menschen, die zu Hunderten den Weg säumten, ließ sie sich nicht vom äußeren Schein blenden.Ratibor trug zwar einen mit Zobel- und Eichhörnchenfellen besetzten Umhang, der mit Silber und Edelsteinen verziert war. Das gestriegelte Fell seines Rappen schimmerte wie schwarzer Bernstein. Aber der König war nur noch ein Schatten seiner selbst. Sein Gesicht wirkte verhärmt, er war abgemagert, und das Haar fiel ihm büschelweise aus. Teška sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, die Schultern aufrecht zu halten.
    König Ratibor, der an der Spitze seiner Männer über den Marktplatz ritt, war ein gebrochener Mann, der versuchte, seine Gefühle hinter einer ausdruckslosen Miene zu verbergen. Sein Blick war starr auf die

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