Das Buch der Sünden
bückte sich unter seinen Stand, wo er die entsprechenden Gewänder heraussuchte und in ein neutrales weißes Leinentuch wickelte. Als er mit dem Paket wieder auftauchte, nannte er mit einem breiten Grinsen den Preis. «Zwanzig Silbermünzen, weil Ihr es seid, meine Freunde. Von jedem anderen Mann hätte ich gut und gern das Doppelte verlangt.»
Damek blies scheinbar überrascht seine Backen auf. «Ich gebe Euch zehn Münzen – und damit seid Ihr noch gut bedient.»
Das Grinsen verschwand aus Rustahs Gesicht. «Neunzehn, oder ich packe die Gewänder wieder weg», sagte er gereizt.
Damek ließ sich nicht beirren. «Elf, und keine Münze mehr.»
«Achtzehneinhalb.»
«Elfeinhalb.»
«Achtzehn.»
«Zwölf.»
Beim Kaufpreis von vierzehneinhalb Münzen wurden die beiden schließlich handelseinig. Das Grinsen kehrte in Rustahs Gesicht zurück. Er hielt Damek seine geöffnete Rechte hin. Damek fischte aus seiner Tasche fünfzehn Münzen und zählte sie Rustah in die Hand. Der Sarazene teilte eine der Münzen mit einem Messer und gab sie Damek zusammen mit den Stoffen zurück.
Helgi wunderte sich, wie der Zauberer an die vielen Münzen gekommen war, für deren Gegenwert man ein ganzes Schwein hätte kaufen können.
Der Händler verneigte sich tief und ehrerbietig zum Abschied.
Damek klemmte sich das Paket unter den Arm und drängte Helgi und Ansgar zu einem Wäldchen jenseits des Zeltlagers.
Auf dem Weg dorthin fragte Helgi: «Woher hast du das viele Geld?»
«Ich habe es einem reichen Kerl aus der Tasche gezaubert», erwiderte Damek. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
«Du bist ein Dieb!», stellte Ansgar entrüstet fest.
Damek zuckte mit den Schultern. «Ihr wollt in den Tempel, und ich helfe euch dabei. So einfach ist das. Wenn du dich beschweren willst, Christ, wende dich an deinen Herrgott.»
Damek drohte Ansgar mit dem Zeigefinger. «Aber ich warne dich, alter Mann – dies hier ist Svantevits Land. Hier hat dein Herr Jesus nichts zu sagen.»
Der Wind wurde stärker.
In dem Wäldchen, hinter Bäumen und Büschen versteckt, verwandelten sich Damek, Helgi und Ansgar in drei ranische Tempelpriester, indem sie sich die purpurfarbenen Gewänder überzogen und ihre Gesichter unter den weiten Kapuzen verbargen.
In dem kleinen Wald stank es nach Fäkalien. Viele Bewohner des Zeltplatzes nutzten diesen Ort zur Verrichtung ihrer Notdurft. Aber jetzt, zur Mittagszeit, hatte es die Menschen zu den Ständen gezogen. Wer nun ein Bedürfnis verspürte, scheute den weiten Weg zum Wäldchen. Stattdessen hockte man sich gleich beim Markt hinter einen Busch.
Dennoch schienen die drei nicht allein zu sein. Als sie das Dickicht verlassen wollten, knackte irgendwo ein Ast. Helgi spähte in den Wald, konnte aber niemanden entdecken. Um ganz sicherzugehen, drang er tiefer in das Unterholz vor bis zu einem dichten Brombeergebüsch. Mit einem Stock drückte er die dornigen Ruten zur Seite. Als er sich auf die Zehenspitzen stellte, um besser sehen zu können, flog von einem Baum ein schwarzer Vogel laut krächzend davon.
«Krak!», rief ihm Damek zu. «Es war nur ein Rabe. Das ist ein gutes Zeichen.»
Helgi kehrte zu den anderen zurück.
Damek grinste unter der Kapuze hervor. «Bringen wir die Sache hinter uns.»
Dennoch wurde Helgi das Gefühl nicht los, dass jemand sie beobachtete.
Er hatte sich nicht getäuscht.
Hinter dem Brombeergestrüpp verborgen, hockte ein Mann, ein Händler aus dem Örtchen Ventsutunitz im Südwestender Insel. Der Mann reiste zu Fuß durch die Gegend, um Kleinzeug wie Nadeln oder Löffel zu verkaufen, die er von anderen Händlern stahl. Im Wäldchen hatte er sich Erleichterung verschaffen wollen und war dabei Zeuge geworden, wie drei Männer ihre gewöhnlichen Kleider gegen prächtige Priestergewänder ausgetauscht hatten. Dieser Vorgang schien ihm nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Er war ja nicht dumm. Im Gegenteil, er hielt sich sogar für sehr schlau – besonders wenn es darum ging, Informationen zu Geld zu machen.
Er wartete so lange, bis er glaubte, dass die drei Männer sich weit genug entfernt hatten. Dann kroch er aus dem Gestrüpp hervor. Nun musste er nur noch jemanden finden, der ihn für sein Wissen bezahlen würde, und für so etwas hatte er eine ausgesprochen feine Nase.
Sein Weg führte ihn ins Zeltlager, wo sich zur Mittagszeit nur sehr wenige Menschen aufhielten. Als er hier die als Ranenpriester verkleideten Männer wieder entdeckte, zog er sich
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