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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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ein, da sie nicht mitbekommen hatten, was sich soeben auf dem Tempelplatz ereignet hatte.
    Teška wollte gerade vom Podest steigen, um ihren Freunden zu Hilfe zu eilen, als von hinten jemand ein Messer anihre Kehle drückte. Die Klinge ritzte ihre Haut, Blut tropfte auf das Hochzeitskleid und besudelte das blütenreine Weiß.

24.
    Helgi blinzelte mit dem rechten Auge, das linke war zugeschwollen. Schemenhaft erkannte er Teškas weißes Kleid oben auf dem Podest. Žilobog, der Hohepriester, hatte sie von hinten umklammert und hielt ihr ein Messer an den Hals.
    Jemand rüttelte an Helgis Schulter.
    «Tu was, Däne! Beweg deinen Hintern!», zischte Damek. Der Rane war schrecklich zugerichtet worden, sein Gesicht eine einzige blutige Masse.
    «Žilobog wird sie töten. Rette sie!»
    Helgi schaute wieder nach oben. Žilobog hielt Teška wie einen Schutzschild vor sich, während er sie vom Podest hinunterzog. Niemand wagte es einzugreifen, als er sie zu dem Tempel brachte, wo sie hinter den Purpurvorhängen verschwanden.
    Der Tempel hatte sie verschluckt.
    Helgi verspürte grausame Schmerzen am ganzen Körper, als er versuchte, sich aufzurichten. Ungeachtet seiner eigenen Verletzungen, half Damek ihm dabei. Ansgar hockte in ihrer Nähe. Er blutete zwar am Kopf, schien aber nicht schwer verletzt zu sein.
    «Rette meine Duša, du lausiger Däne!», zischte der Zauberer.
    Sie ließen Ansgar zurück und wankten, sich gegenseitig stützend, auf das Kultgelände zu. Helgi riss die Vorhängebeiseite. Edelsteine fielen mit klackernden Geräuschen auf die Holzdielen vor dem Tempel. Dann betraten sie Svantevits Heiligtum. Sie kamen in eine saalartige, zugige Halle, in deren Innenbereich ein Geviert durch bodenlange, purpurfarbene Tücher abgehängt worden war. Ein Windstoß fuhr durch die Öffnungen in den Außenwänden hinein und ließ die Vorhänge wallen wie blutgetränkte Wasserfälle.
    Plötzlich hörte Helgi ein durchdringendes Geräusch. Es klang, als ob jemand Holz hackte. Damek stieß ihn voran; sie schoben sich durch weitere Vorhänge und kamen tiefer in das innere Geviert.
    Und dann sahen sie ihn – den Gott der Ranen. Svantevit! Eine Holzstatue, groß wie drei Männer übereinander, mindestens fünfzehn Fuß hoch, ragte vom Boden bis unter das Spitzdach des Tempels. Der Anblick des aus einem Eichenstamm geschnitzten Götzen ließ Helgi erschauern. Svantevit hatte vier Gesichter, von denen jedes in eine andere Himmelsrichtung blickte.
    Da drangen erneut die hämmernden Geräusche an Helgis Ohren.
    Vorsichtig bewegte er sich mit Damek um die Statue herum, und auf der anderen Seite stießen sie endlich auf Žilobog. Er hielt das Beil, mit dem der Hahn geköpft worden war, und hackte damit immer wieder auf Svantevit ein, wobei er bereits einen keilförmigen Spalt in das Holz getrieben hatte.
    «Der Narr zerstört unseren Gott!», stieß Damek fassungslos hervor.
    Žilobog schien sie in seinem Wahn nicht zu bemerken. Er kehrte ihnen den Rücken zu und schwang wie besessen die Axt. Teška kauerte zu seinen Füßen zwischenihm und dem Götzen. Späne rieselten bei jedem Schlag auf sie nieder. Die Axt traf das Holz nur eine Handbreit über Teškas Armen, mit denen sie versuchte, ihren Kopf zu schützen. Ein einziger falscher Schlag, und ihr Schädel wäre gespalten.
    «Töte Žilobog!», zischte Damek.
    Helgi schlich sich an den Hohepriester heran. Žilobog führte die Bewegungen so gleichförmig aus wie ein geübter Baumfäller. Er hob die Axt auf Schulterhöhe in einem Halbkreis nach hinten, dann schlug er mit aller Kraft zu und trieb die Kerbe jedes Mal tiefer ins Holz. Der Rumpf knirschte, und Svantevit erzitterte unter den Hieben. Schweißperlen glänzten auf Žilobogs ausrasiertem Nacken.
    Helgi wartete, bis er die Axt ein weiteres Mal nach hinten führte. Dann griff er blitzschnell zu, bekam den Schaft zu fassen und riss ihn Žilobog aus den Händen. Zunächst schien der Hohepriester die fehlende Axt nicht zu bemerken. Seine leeren Hände fuhren in ihrer Bewegung fort. Dreimal, viermal. Dann erst hielt er inne, starrte auf seine Hände, dann auf Svantevit. Schließlich drehte er sich um.
    Helgi hob die Axt.
    «Schlag zu», brüllte Damek. «Er hat den Tod verdient.»
    Doch Helgi zögerte. Seine Hände begannen zu zittern. Er dachte an Odin, an den Auftrag, den er ihm in der goldglänzenden Walhall gegeben hatte: Töte deine Feinde,
Skauð!
Feigling!
    Teška ließ die Arme sinken. Die Holzspäne fielen wie Schneeflocken

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