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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Damek.
    An allen Tischen stimmten die Ranen mit ein; selbst Ratibor rief «Snerta!», bevor er das Trinkhorn hob.
    Am Strand flammten weitere Feuer auf, und die Tänze begannen. Jünglinge mit Ledermasken sprangen im Feuerschein um blumenbekränzte Mädchen herum. Flöten aus ausgehöhlten Knochen wurden geblasen. Den Takt dazu gaben Männer, die auf mit Tierfellen bespannte Holztrommeln einschlugen. Je länger die Tänze andauerten, umso härter und schneller wurde der Rhythmus der Trommelschläge. Die Tänzer verausgabten sich und rissen sich die Kleider vom Leib. Es war eine juchzende und schreiende Ansammlung schwitzender, nackter Körper in flackerndem Licht, die auf Helgi einen geradezu gespenstischen Eindruck machte.
    Er leerte ein Trinkhorn nach dem anderen. Wildfremde Männer kamen zu ihm, um mit ihm anzustoßen und unablässig seine Schultern zu klopfen. Damek übersetzte mit zunehmend schwerer Zunge die Dankesworte und Glückwünsche.
     
    Nach einer Weile forderte der Wein seinen Tribut. Helgi entfernte sich von dem Tisch, um sich zu erleichtern, und wankte breitbeinig an der Kulthalle vorbei zu einem Baum am Ufer des Baches. Es war eine Esche, und sie war beinahe so hoch wie der Schöpfungsbaum Yggdrasil in Haithabu.
    Nachdem er sich erleichtert hatte, hörte er hinter sich plötzlich Schritte. Als er sich umdrehte, sah er Ansgar aus der Dunkelheit auftauchen.
    «Ich möchte mich von dir verabschieden», sagte der Munki mit belegter Stimme. «Ich werde nach Brema zurückkehren, denn ich spüre, dass meine Zeit gekommenist. In meinem Sprengel will ich bei meinen Brüdern auf den Tod warten.»
    Helgi schüttelte heftig den Kopf. «Was redest du da? Du kannst uns hier nicht einfach allein lassen.»
    Ansgar hob abwehrend die Hände. «Die Ranen sind nicht bereit für Gottes Segen.»
    Gräser raschelten, als Damek zu ihnen kam.
    «Ansgar will uns verlassen», sagte Helgi. «Er will einfach so verschwinden!»
    «So ein Unsinn», rief Damek. «Komm zu uns an den Tisch, alter Mann. Ich finde noch irgendwo eine Keule mit zartem Rehfleisch, das du auch mit deinen wenigen Zähnen noch essen kannst. Und es gibt Wein. Weiber brauche ich dir ja nicht anzubieten.»
    Ansgar senkte den Blick und schüttelte traurig den Kopf. «Der Herr sagt: Der Genusssüchtige ist lebendig tot.»
    «Huh», machte Damek. «Der Alte versteht wirklich keinen Spaß. Die Weisheiten seines Herrgotts werden mir fehlen. Komm, Däne, trinken wir eben ohne ihn.»
    Helgi zögerte, doch Damek zog ihn am Arm hinter sich her. Dabei sagte der Toblac beiläufig: «Schade nur, dass der Alte nun niemals erfahren wird, dass Ratibor nichts dagegen hätte, wenn jemand wieder eine Kirkja in Ralsvik eröffnen würde.»
    Ansgar stieß einen überraschten Schrei aus. Rasch hatte er die beiden schwankenden Gestalten eingeholt.
    «Sankt Vitus?», rief er. «Herimanns Kirche?»
    «Hm. Wenn Woislava einen neuen Schweinestall bekommt.»
    Ansgar bekreuzigte sich und lachte leise in sich hinein.
     
    Nach den Tänzen folgte die Hochzeitszeremonie, zu der sich die Ranen um ein großes Feuer versammelten. Es begann damit, dass Helgi und Teška mit brennenden Bienenwachskerzen das Feuer dreimal umkreisen mussten. Anschließend warfen sie mehrere Brotlaibe als Opfergabe in die Flammen. Dann führte man sie zu einem ausgebreiteten Ziegenfell, auf dem sich das Hochzeitspaar niederließ. Kichernde Jungen und Mädchen umringten die beiden und bewarfen sie mit Getreidekörnern, Samenkapseln und Nüssen. Die übrigen Gäste waren unterdessen auf die Tische geklettert, von wo aus sie den jungen Leuten zujubelten.
    Helgi ließ die Zeremonie geduldig über sich ergehen, und nachdem sich die Jungen und Mädchen ausgetobt hatten, führte man Helgi und Teška zu Svjatoslav. Der Hohepriester forderte die beiden auf, sich die Hände zu reichen, und hielt ihnen eine hölzerne Puppe hin. Sie stellte das verkleinerte Abbild des vierköpfigen Gottes Svantevit dar. Nacheinander mussten sie die Puppe küssen.
    Odin wird nichts dagegen haben, dachte Helgi, als er mit seinen Lippen Svantevits Abbild berührte.
    «Sind wir nun endlich verheiratet?», flüsterte Helgi anschließend Teška zu.
    Doch sie schüttelte nur lächelnd den Kopf und zog ihn zu einem Tisch, auf dem man einen Honigkuchen bereitgestellt hatte. In der Mitte des Kuchens thronte eine Holzfigur, aus der ein langer Phallus hervorragte.
    Hoffentlich muss ich den nicht auch küssen, dachte Helgi.
    Aber man verschonte ihn mit

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