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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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befindet?»
    «Natürlich.»
    «Wo?»
    «An einem sicheren Ort.»
    «Nenn mir diesen Ort – im Namen des Papstes!»
    Raban schwieg eine Weile. Dann sagte er: «Wer nach der Vernichtung der Sünden strebt, muss ihre Vollkommenheit erkennen.»
    Radoald starrte Raban entgeistert an, da er offenbar annahm, dass der Subprior sich über ihn lustig machte. Aber er ließ sich nicht provozieren, sondern fragte stattdessen: «Wie viele Abschriften gibt es?»
    «Nur diese eine.»
    «Wer weiß davon?»
    «Ich – und jetzt auch Ihr. Der Abt, der mich damals mit der Abschrift beauftragt hatte, ist vor vielen Jahren gestorben.»
    Gunther trat nervös von einem Fuß auf den anderen.Radoald schaute auf das Buch in seinen Händen, dann wieder zu Raban.
    «Alaetheia Apokalypsis»,
murmelte Radoald. «Die wahrhaftige Offenbarung.»
    Odo überlief ein eisiger Schauer.
    Gunther bekreuzigte sich. «Wenn jemand zu diesen Dingen etwas hinzufügt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch   …»
    «Halt den Mund», herrschte Radoald ihn an. An Raban gerichtet, sagte er: «Dieses Buch ist eine Waffe, eine sehr mächtige Waffe. Das ist dir doch bewusst, Subprior?»
    «Selbstverständlich.»
    «Wenn sich die Prophezeiung dieser Worte erfüllt, dann   … dann   …»
    «Dann wird Gott seine Feinde vernichten», sagte Raban.
    Radoald klappte das Buch zu. Er strich mit der linken Hand zärtlich über den Ledereinband. «Ich bin sicher, dass Papst Nikolaus sich dir gegenüber erkenntlich zeigen wird. Ich werde ihm berichten, wem wir dieses Buch zu verdanken haben. Du hast sicher von der Krise gehört, in die die verdorbenen Königsbrüder uns gestürzt haben. Lothar und Ludwig!» Radoald spie die Namen verächtlich aus.
    Er fuhr fort: «Um Nikolaus’ Position gegenüber den heidnischen Kräften zu stärken, benötigen wir diese Dekretalen und Konzile aus Corbie. Kennst du die Besonderheit dieser Schriften?»
    Raban nickte ein Mal. «Sie sind gefälscht.»
    «Du weißt viel, Subprior. Nun gut. Ob aber dieses Buch, das den Titel ‹wahrhaftige Offenbarung› trägt, wirklich wahrhaftig ist, wird sich zeigen müssen.»
    Raban verneigte sich kurz. «Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen.»
    Er forderte von Radoald das Buch zurück und legte es zu den anderen Schriften in die Holzkiste. Diese verschloss er mit einem Schlüssel, der mit einem Band an der Kordel um seinen Bauch befestigt war. Dann schob er die Holzkiste wieder unter eines der Regale.
    Radoald zögerte mit dem Aufbruch. Gunther sah ihn fragend an.
    «Ich habe es mir anders überlegt», sagte Radoald. «Wir reisen bereits morgen ab, beim ersten Tageslicht. Wir müssen so schnell wie möglich nach Rom zurückkehren.»
    «Aber die Soldaten   …», sagte Gunther.
    «Diese Schweinebande», zischte Radoald. «Beweg deinen fetten Hintern, Gunther, und sorg dafür, dass die Kerle nüchtern werden. Wer von ihnen morgen früh noch betrunken ist, den lasse ich barfuß über die Alpen laufen.»
    Kurz darauf hörte Odo die Treppenstufen knarren, dann sich entfernende Schritte auf den Dielen. Eine Tür wurde zugeschlagen.
    Er war wieder allein in der Bibliothek, allein mit dem Buch.
    Das Blut rauschte in seinen Ohren. Er konnte es immer noch nicht fassen: Er hatte das Buch tatsächlich gefunden! So nah war er seinem Ziel. Doch er musste sich beeilen. Wenn Gunther die bierseligen Soldaten erst geweckt hatte, konnte es bereits zu spät sein.
    Odo tastete unter dem Regal nach der Kiste, zerrte sie hervor und ließ seine Finger über das Schloss gleiten. Ohne Werkzeug würde er es nicht aufbekommen.
    Unten im Skriptorium entdeckte er eine feste, etwa zwei Ellen lange Leiste aus Eisen, mit der die Schreiberdie Pergamente fixierten. Diese Leiste steckte er hinter das Schloss, um es damit aufzuhebeln. Das Eisen bog sich unter seinem Gewicht. Doch das Schloss hielt dem Druck stand. Beim zweiten Versuch zerbrach die Leiste. Odo stieß einen Fluch aus.
    Von draußen drangen Stimmen durch die Bibliotheksfenster. Als Odo hinunterspähte, sah er, wie Gunther eine Handvoll schlaftrunkener Soldaten vor sich hertrieb, vermutlich zu einem Brunnen, um sie mit kaltem Wasser zu übergießen.
    Da fiel Odo das Rasiermesser ein, das Notkar ihm gegeben hatte. Es war zwar klein, aber scharf. Odo setzte es am Schloss an, dessen Halterung mit Nägeln im Holz befestigt war. Er begann zu schaben. Winzige Späne rieselten zu Boden. Es dauerte lange, viel zu lange.
    Unterdessen kehrten die

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