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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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war sie schon wieder verschwunden. Er ärgerte sich, die Gelegenheit war vertan.
    «Na und?», fuhr er seine Mutter an. «Und wie alt seid ihr gewesen, als ihr mich bekommen habt? Ich bin jetzt siebzehn – und ihr werdet beide bald fünfzig! Also hört endlich auf, mir Vorhaltungen wegen meines Alters zu machen!»
    Gullweigs Gesichtsausdruck veränderte sich, als sie schuldbewusst zur Seite trat. «Entschuldige», sagte sieleise. «Aber es ist doch, weil   … sie nun mal Gizurs Sklavin ist. Er hat für sie bezahlt, und sie gehört ihm – mit Leib und Leben. Wenn du ihr nachstellst, begehst du großes Unrecht. Wer sich an die Sklavin eines anderen Herrn heranmacht, kann dafür mit dem Tode bestraft werden. Das weißt du doch!»
    Helgi zuckte gleichgültig mit den Schultern und setzte sein Schnitzmesser an Freyjas Brüsten an.
    Gullweig drang weiter in ihn ein: «Wenn du dem Mädchen diese Figur schenkst, bringst du nicht nur dich, sondern auch sie in große Gefahr. Was glaubst du wohl, wird Gizur mit seiner Sklavin machen, wenn er die Holzpuppe bei ihr findet?»
    Da öffnete sich die Tür zur Schlafkammer, und Einar trat herein. «Was ist das für ein Krach hier?»
    «Haben wir dich geweckt?», erwiderte Gullweig überrascht.
    Einar warf einen Blick aus dem Fenster. Es dämmerte bereits. Er zog seinen Mantel über, wickelte das Schwert in ein Leinentuch und setzte seine Kappe auf. «Ich werde auf der Festwiese noch einen Becher Met trinken, bevor ich zu Hovi gehe.»
    «Und wann kommst du wieder nach Hause?», fragte Gullweig besorgt.
    Einar zuckte mürrisch mit den Schultern. Als er das Haus verließ, knallte er die Haustür hinter sich zu.

3.
    Grein war ein
hlenni,
ein Dieb, der den Hals nicht vollkriegen konnte.
    Seine Habgier hatte ihn bereits die linke Hand gekostet. Sein Rücken war übersät von den Narben der Peitschenhiebe, die er als Strafe für seine Diebstähle erhalten hatte. Doch gelernt hatte er nichts aus alldem. Erst heute Morgen hatte er in Haithabu zwei Hühnereier von einem Hinterhof gestohlen und war nur mit Müh und Not der Axt des wütenden Hausherrn entkommen.
    Grein wusste, dass die Krieger des Jarls wieder einmal ein Auge auf ihn geworfen hatten. Bei seiner nächsten Verfehlung würde er wohl die rechte Hand oder einen Fuß, wenn nicht gar sein Leben einbüßen. Daher hatte er sich vorgenommen, Haithabu bei Tagesanbruch in Richtung Norden zu verlassen, um sich in einer anderen Stadt nach neuen Opfern umzusehen. In Jellinge vielleicht, oder in Ribe.
    Doch zuvor hatte er noch etwas zu erledigen.
    Im Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit pirschte er auf bloßen Füßen durch das Unterholz, behutsam darauf achtend, dass er auf keinen trockenen Ast trat oder sich sein lumpiger Mantel in Dornen verfing. Hinter einem Haselnussstrauch hielt er geduckt inne, bog die Zweige auseinander und schaute auf die Gebäude, in denen die Kuttenträger lebten, diese
munkis.
    Es waren zwei windschiefe, mit Schilf gedeckte Holzhäuser, die unweit des Ufers der weitläufigen Bucht standen, etwa eine Meile nördlich der Stadt Haithabu. Grein bemerkte zwei Baustellen auf dem Gelände. Offensichtlichwollten die Burschen neue Häuser bauen. Bei dem einen war bereits ein Fundament aus großen Steinplatten zu erkennen, bei dem anderen hatte man damit begonnen, die Pfähle für die Wände zu setzen.
    Grein hatte im Laufe des Tages Erkundigungen über diese Leute eingezogen und erfahren, dass sie jeden Abend früh zu Bett gingen. Doch zuvor würden sie in dem Haus, vor dem ein Holzkreuz stand, ihrem Gott huldigen.
    Was für eine jämmerliche Zeitverschwendung, dachte Grein.
    Er hatte auch gehört, dass diese Leute gutgefüllte Vorratskammern hatten, in denen getrocknete Fische, geräucherte Schweine und andere Köstlichkeiten gelagert wurden. Allein beim Gedanken an all die Speisen lief dem Dieb das Wasser im Munde zusammen. Er stellte sich vor, in einen saftigen Schinken zu beißen – es wäre ihm sogar egal, wenn dabei noch die letzten seiner verfaulten Zähne abbrachen.
    Er grinste verschlagen. Diese Hohlköpfe waren selbst schuld, wenn er sich ein wenig an ihren Vorräten bediente, schließlich hatten sie ihn selbst darauf aufmerksam gemacht.
    Wie dumm sie doch waren, wie dumm!
    Heute Mittag hatte ihm einer dieser Munkis, der sich Priester nannte und wohl der Anführer war, ein schönes Stück Wurst geschenkt, als Grein am Stadtrand in einem Müllhaufen nach Essensresten wühlte. Die gestohlenen Eier hatten kaum

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