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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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erhältst dieses Stück, wenn du morgen früh auf der Baustelle erscheinst.»
    Der Duft betörte Grein. Ohne zu zögern, riss er dem Priester den Schinken einfach aus der Hand und rannte lauthals lachend davon.
    Ich und arbeiten?, dachte er. Was bildet dieser Munki sich ein?
    Noch im Weglaufen biss er herzhaft in das Fleisch. Dabei büßte er einen Backenzahn ein, den er achtlos in das Gebüsch spuckte, in dem er vorhin gelauert hatte.

4.
    Odo schaute dem Schatten hinterher, der in die Dunkelheit floh.
    Bald darauf waren das kehlige Lachen und die Schritte des Sünders nicht mehr zu hören. Odo schloss die Tür hinter sich. Er ging in die kleine Kammer, die vom übrigen Bereich des Gemeindehauses abgetrennt war.
    Unmittelbar nach seiner Ankunft in Haithabu vor etwa einem Jahr hatte er bei den Brüdern auf diesem separaten Wohnraum bestanden. Odo hatte ihnen eine Urkunde vorgelegt, die ihn als Priester auswies, und als solcher hatte er ein Anrecht auf die Zelle. Die Urkunde hatte er aus der Kirche in der Hammaburg mitgenommen. Eigentlich hatte er Adamnanus um diese Legitimation bitten wollen. Odo war überzeugt, der Todkranke hätte für Odos Mission Verständnis gehabt. Doch als er in die Kirche zurückgekehrt war, hatte Adamnanus gerade sein Leben ausgehaucht. Daher war Odo nichts anderes übrig geblieben, als dessen Urkunde an sich zu nehmen. Er hatte noch Adamnanus’ Begräbnis in die Wege geleitet und war dann nach Haithabu aufgebrochen. Hier hatte er sich als neuer Priester der Christengemeinde ausgewiesen. Niemand konnte ihm das Gegenteil beweisen, denn er hatte Adamnanus’ Namen mit Notkars scharfem Messer sorgfältig vom Pergament gekratzt und seinen eigenen Namen eingefügt. Zwar stand der Gemeinde ein Priesternamens Arculf vor, aber der alte Mönch war von Bischof Ansgar nach dessen Abreise nur vorübergehend ernannt worden, bis er durch einen entsprechend ausgebildeten Geistlichen ersetzt werden würde. Wer das sein sollte, hatte Ansgar nie gesagt. Daher nahmen die Christen an, Odo sei der rechtmäßige Nachfolger des Nordmissionars, und überließen ihm bereitwillig die Gemeindeführung und die Zelle im Gemeindehaus.
    Der Rückzugsraum war wichtig, damit Odo seine Vorbereitungen treffen konnte für das, was im Sinne Gottes getan werden musste. Ein Jahr lang hatte Odo die Sprache der Dänen gelernt, hatte das Wesen dieser Barbaren studiert und analysiert – und nun hatte er sein erstes Opfer ausgewählt.
    Denn heute würde Odo den Anfang machen und den Grundstein legen für die Erschaffung einer neuen Welt.
     
    Er hatte keine Eile, denn er wusste, wo er den Dieb finden würde.
    In aller Seelenruhe tastete Odo unter seinem Bett nach dem mit lockerer Erde zugeschütteten Loch, in dem die Sachen versteckt waren, die er für seinen Feldzug gegen das Böse benötigte. Nachdem er einige Hände voll Erde ausgegraben hatte, stieß er auf die etwa einen Fuß lange Kiste. Mit dem Ärmel wischte er die Erdreste vom Deckel ab, klappte ihn auf und nahm die Dinge heraus, die er für Greins Behandlung benötigen würde. Schwarzer Stoff raschelte zwischen seinen Fingern; eiserne Werkzeuge und andere Gerätschaften klapperten.
    Ganz unten in der Kiste befand sich Odos größter Schatz: das heilige Buch. Er legte es auf den kleinen Tisch, stellte die Tranlampe davor, setzte sich auf einen dreibeinigenSchemel und begann zu lesen. Ein wohliger Schauer durchfuhr ihn.
    Avaritia, las er, die Habsucht, ist die Sünde des unkontrollierten Strebens nach irdischen Gütern. Sie ist Quelle und Wurzel der Hartherzigkeit, des Geizes und der List. Der Dämon – er soll gekocht werden in siedendem Öl!
    Odo schloss die Augen. Ja, sagte er leise bei sich, so soll es geschehen.
    Nach einem Moment tiefer Andacht faltete er den schwarzen Umhang auseinander und schlüpfte hinein. Odos Gesicht und sein Körper wurden von dem dunklen Stoff vollständig verhüllt, nur für die Augen waren Schlitze vorgesehen. Dann steckte er die Kiste mit den Werkzeugen und dem Buch in einen Lederbeutel, den er sich über die Schulter hängte.
    Geräuschlos öffnete er die Tür seiner Kammer und überzeugte sich davon, dass alle Brüder schliefen. Auch der engstirnige Arculf schnarchte. Er war ein notorischer Querulant und der Einzige in der Gemeinde, der es offen wagte, Odo zu widersprechen.
    Als Odo in die Nacht hinaustrat, ging er zunächst zur Kirche, um den Birkenzweig von der Tür zu entfernen, den er vorhin bemerkt hatte. Odo war wütend. Arculf

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