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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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zum Frühstück gereicht, und die Wurst war das Leckerste gewesen, das er seit langem gegessen hatte.
    Grein wollte mehr davon.
    Außerdem hatte dieser Priester, ein großer, dunklerKerl mit strengem Gesicht, selbst zu Grein gesagt, er könne jederzeit die Gemeinde besuchen und um ein Almosen bitten.
    Nur ein Almosen? Lächerlich!
    Grein warf einen prüfenden Blick zum Himmel. Heute war der längste Tag und die kürzeste Nacht des Jahres. Aber – wie Grein zufrieden feststellte – allmählich wurde es dunkel. In wenigen Augenblicken würde er sein Versteck verlassen können.
    Da kam ein alter Mann mit weißem Bart aus dem Haus, vor dem das Kreuz stand, und befestigte einen Ast an der Tür. Es war ein Birkenzweig. Dann verzog sich der Alte in das andere Gebäude. Sonst war niemand zu sehen. Die Leute schienen tatsächlich zu schlafen.
    Grein kratzte sich eine Laus vom Kopf. Dann huschte er wie ein Schatten aus seinem Versteck. Geleitet vom Zwielicht der untergehenden Sonne, rannte er zu dem Kreuzhaus, von dem er annahm, dass es unbewohnt war. Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte hinein. Im Innern roch es eigenartig lieblich, wie nach verbrannten Kräutern. Durch die Ritzen zwischen den Wandbrettern schimmerte ein wenig Licht. Das Haus war völlig leer, bis auf ein paar Stühle, buntbemalte Holzkreuze und ein aus Stein gemeißeltes, hüfthohes Becken.
    Grein fluchte. Er musste sein Glück in dem anderen Haus versuchen. Da hörte er hinter sich plötzlich eine Stimme.
    «Gott segne dich, mein Sohn!»
    Grein erkannte die gebrochene Aussprache sofort wieder. Es war die Sprache eines Mannes, der noch nicht sehr lange unter den Dänen lebte. Grein drehte sich mit angespannten Muskeln um. Direkt hinter ihm, nur einen Schritt entfernt, stand der Obermunki, dieser Priester.
    «Ich freue mich, dass du auf mein Angebot eingegangen bist», sagte der Munki und lächelte. «Nur in vollkommener Demut und Armut erkennt man Gott. Mein Sohn, wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.»
    Grein nickte artig. Er verstand nicht, was der Munki da sagte, und es war ihm auch egal. Er wollte nur die Vorratskammer dieser Verrückten finden und ausplündern.
    «Wie lautet dein Name, mein Sohn?», fragte der Munki.
    «Grein.»
    Der Priester spitzte die Lippen. «Du siehst hungrig aus, Grein. Warte hier. Ich werde dir einen Kanten Brot holen.»
    Grein ballte die Hand zur Faust. Der Kerl wollte ihn mit einem Kanten Brot abspeisen?
    Mit übertrieben freundlicher Stimme fragte er: «Hättet Ihr vielleicht auch ein Stückchen Fleisch oder Käse?»
    Er kratzte sich mit dem Stumpf seiner abgeschlagenen Hand am Kopf. Eine Geste, mit der er bei manchen Menschen Mitleid erregen konnte.
    «Es darf auch alter Käse sein», fügte er hinzu. «Sonst schmeckt das Brot doch nicht, oder?»
    Der Priester lächelte vage. «Ich habe dir heute schon eine Wurst gegeben. Du hättest sparsamer damit umgehen sollen. Aber gut, ich werde dir ein Stück Trockenfisch bringen. Es ist ein   …» Er suchte nach dem richtigen Wort.
    «Ein
skreið?»,
half Grein aus.
    «Ja, ein Dorsch.»
    Dann ging der Priester über die Wiese davon. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Grein folgte dem Munki.Er musste herausfinden, wo die Kerle ihre Vorräte versteckten.
    Die Tür zum Wohnhaus war weit geöffnet, sodass der Dieb Einblick in das von Tranlampen erleuchtete Gebäude bekam. Der Raum war etwa auf der Hälfte durch vom Dach herabhängende Tücher geteilt. Grein vermutete, dass hinter den Vorhängen die anderen Verrückten schliefen. Links vom Eingang war eine weitere Tür, die in eine kleine Kammer führte, die vielleicht der Schlafraum des Priesters war.
    Auf der anderen Seite des Raums befand sich die Vorratskammer, in der er den Priester erkennen konnte, der kurz darauf mit einigen Lebensmitteln beladen zu Grein kam. Mit Entzücken stellte er fest, dass es sich dabei nicht nur um ein Brot und einen Fisch handelte, sondern dass auch ein Schinken dabei war – so groß wie eine Männerfaust!
    Der Priester reichte Grein Brot und Fisch, den Schinken aber behielt er bei sich.
    «Ich möchte dir einen Handel vorschlagen», sagte er und zog die Augenbrauen hoch. «Unsere Gemeinde errichtet eine neue Kirche und ein neues Wohnhaus. Wir können auf der Baustelle jeden tüchtigen Mann gebrauchen. Jeder Helfer wird von mir großzügig entlohnt.»
    Er hielt Grein den nach salzigem Rauch duftenden Schinken unter die Nase. «Du

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