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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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beiden missmutig an. «Ich glaube, ihr habt immer noch nicht begriffen, worum es eigentlich geht!»
    «Doch, das haben wir», erwiderte Gullweig. «Aberwenn du heute Abend bei dem Wettbewerb vor Hunger und Erschöpfung zusammenbrichst, dann haben wir überhaupt nichts gewonnen.»
    Widerwillig musste Einar einsehen, dass seine Frau recht hatte, wie so häufig. Er legte den Hammer beiseite. Gullweig brachte den Topf mit der Hafergrütze in die Schmiede. Schweigend tauchten die drei ihre Holzlöffel hinein. Nach dem Essen wischte sich Einar den Mund am Hemdsärmel ab und knurrte: «Der Fraß schmeckt von Tag zu Tag fürchterlicher.»
    «Es ist ja auch mehr Eichelmehl als Hafer darin», sagte Gullweig. «Das Getreide ist teuer. Aber Eicheln haben wir noch genug, seit das Schwein im vergangenen Winter gestorben ist.»
    Das einzige Tier, das ihnen geblieben war, war eine alte Ziege, die kaum noch Milch gab.
    «Na, siehst du», sagte Einar, «und deshalb muss ich heute Abend den Auftrag erhalten. Eine Waffenlieferung für den Jarl Hovi würde uns Arbeit bis zum nächsten Winter und noch länger sichern. Dann könnten wir ein neues Schwein kaufen und eine Ziege noch dazu   …»
    «Und geräucherten Fisch, Wurst, Schinken und Käse», ergänzte Gullweig versonnen.
    «Wenn der Dreckskerl Gizur uns allerdings den Auftrag vor der Nase wegschnappt», fuhr Einar fort, «dann steht es schlecht um uns. Ich habe unser letztes Geld für das Eisen ausgegeben – und das Zeug wird immer teurer, seit die dänischen Häuptlinge für ihren großen Krieg gegen England rüsten.»
    Mit Blick auf Helgi meinte er: «Wenn der Junge sich mehr für die Schmiede als für seine kindischen Schnitzereien interessieren würde, würden wir viel schneller vorankommen.Als ich in seinem Alter war, hatte ich meine Lehrzeit längst abgeschlossen.»
    Wie so oft verfiel er in einen belehrenden Tonfall und erzählte: «Ich habe friesische Schmieden besucht, war bei den Sachsen auf der Hammaburg und bin bis nach Ribe gereist, wo ich deine Mutter kennengelernt habe. Ich habe etwas gesehen von der Welt. Und du? Was machst du aus deinem Leben? Ich würde zu gern wissen, welche Flausen du im Kopf hast.»
    Helgi verdrehte die Augen. In regelmäßigen Abständen wiederholte sein Vater dieselben Geschichten. Doch er hatte die Erfahrung gemacht, dass man am besten keine Widerworte gab.
    Gullweig räumte Schüsseln und Löffel zusammen. Dann machten sich Einar und sein Sohn wieder an die Arbeit. In wenigen Stunden würde sich zeigen, ob sie im kommenden Winter würden hungern müssen oder nicht.

2.
    Am frühen Abend war das Schwert fertig.
    Einar hatte bis an den Rand der Erschöpfung gearbeitet. Im Laufe des Tages hatte die Sonne, die schon seit Tagen vom wolkenlosen Himmel brannte, die Werkstatt noch zusätzlich aufgeheizt. Jetzt hockte der alte Schmied auf dem Boden, mit dem Rücken an der Wand, und rieb sich seine vom Rauch gereizten Augen. Sein Gesicht glühte wie das Eisen, das er bearbeitet hatte. Schweißtropfen perlten von seiner Stirn und rannen über sein hageres Gesicht. Er keuchte und stöhnte.
    Aber das Schwert lag auf dem Amboss.
    Obwohl sich Helgi für die Schmiedearbeit nur wenig interessierte, betrachtete er die Klinge doch voller Ehrfurcht. Sie war wundervoll geworden. Die zweischneidige Klinge war gut drei Fuß lang und in der Mitte mit einer Blutrinne versehen. Knauf und Parierstange waren mit Mustern verziert, die aus eingehämmerten, rotweißen Buntmetalldrähten aus Kupfer und Silber gefertigt worden waren.
    Der Wettbewerb sollte mit Einbruch der Dunkelheit im Langhaus des Jarls Hovi Oldungr beginnen. Hovi war von König Horick dem Jüngeren als Verwalter der Stadt Haithabu eingesetzt worden. Somit oblag Hovi auch die Waffengewalt. Bei dem Wettbewerb würden alle Waffen in mehreren Disziplinen so lange geprüft werden, bis nur ein einziges Schwert übrig blieb. Der Hersteller des siegreichen Schwerts würde den Großauftrag erhalten und für den Jarl Dutzende Waffen herstellen.
    Einars Chancen standen außerordentlich gut, den Auftrag zu erhalten. Er war weit und breit der einzige Schmied, der sich auf eine Methode verstand, bei der man eine Schwertklinge aus einer Kombination verschieden harter Stahl- und Eisensorten herstellte. Diese Schmiedetechnik hatte Einar einst bei den Franken erlernt, wie er seinem Sohn immer wieder vorhielt.
    Helgi beobachtete seinen erschöpften Vater. Gullweig saß am Webstuhl.
    «Wie viele Schmiede werden heute

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