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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Handelsschiffen nach Haithabu gelangt waren und sich seitdem rasch vermehrten. Die Viecher waren zwar zäh wie Schuhleder, aber wenn man sie ordentlich durchbriet, ging es.
    Grein hatte sich hier des Öfteren mit Fleischresten, Knochenmark, alten Fischköpfen, Ratten oder Mäusen versorgt, wenn er auf einem Raubzug leer ausgegangen war. In der heutigen Nacht, in der sich viele Menschen auf der Festwiese versammelt hatten, war die Halde bestens dafür geeignet, den Alten in Ruhe und nach allen Regeln der Gaunerkunst auszunehmen. Natürlich hätte Grein seinem Opfer längst einen festen Schlag auf den Kopf verpassen können – aber das wäre zu einfach gewesen.
    Viel mehr Spaß machte es doch, den Alten noch ein wenig zappeln zu lassen.
    Grein war erfüllt von grausamer Vorfreude. Er hatte den Alten untergehakt. Der Kerl konnte kaum noch gehen wegen eines angefaulten Beins, das sich nach einem schlecht verheilten Bruch entzündet hatte.
    Als sie die Halde erreichten, ließ der Alte sich auf einem Fass nieder. Er keuchte mit rasselndem Atem und sagte: «Dann zeig es mal her, das Fleisch!»
    Grein holte den angenagten Schinken aus der Tasche. «Na, was sagst du dazu?»
    «Ein Schinken? Wie soll ich den ohne Zähne runterkriegen? Ich dachte, du hättest zartes Fleisch.»
    «Na, sieh doch, wie zart er ist», erwiderte Grein. Er zupfte ein Stückchen ab, stopfte es sich demonstrativ in den Mund und schluckte es herunter.
    Der Alte leckte sich die aufgeplatzten Lippen. «Aber er ist zu klein. Dafür tausche ich meine Schuhe nicht. Ich will einen größeren Schinken.»
    Grein riss eine weitere Ecke ab.
    «He!», rief der Alte, «wenn du so weitermachst, ist gleich nichts mehr übrig. Lass mich wenigstens mal probieren. Los, los, gib schon her!»
    Grein hielt dem Alten das Schinkenstück mit spitzen Fingern hin. Doch als der Alte es schnappen wollte, zog Grein es wieder weg. Der Alte verlor das Gleichgewicht und rutschte vom Fass herunter.
    «Was soll das?», grummelte er. «Hilf mir wieder auf.»
    Grein wollte gerade nach dem Stock des Alten greifen, als er ganz in der Nähe ein knackendes Geräusch vernahm. Er hielt inne. Doch in der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Plötzlich huschte eine Ratte über seine Füße.
    «Blödes Vieh», knurrte Grein und bückte sich nach dem Stock des Alten.
    «Gib mir meinen Stock wieder», rief der Alte, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte und nun vor Grein kniete.
    «Ich tausche ihn gegen deine Schuhe», erwiderte Grein grinsend.
    «Die kriegst du nicht!»
    Grein grinste dreckig. Dann holte er blitzschnell aus und schlug dem Alten den Stock über den Schädel. Sein Opfer stieß einen heulenden Laut aus. Grein schlug ein zweites Mal zu.
    «Hör auf! Hör auf!», bettelte der Alte benommen.
    Als Grein das dritte Mal zuschlug, zersplitterte der Stock in mehrere Teile. Der Hieb hatte gesessen. Der Alte kippte stöhnend vornüber und verlor das Bewusstsein.
    Grein biss genüsslich ein Stück vom Schinken ab. Dann machte er sich daran, seinem Opfer die Schuhe auszuziehen. Sie waren nicht so gut, wie er gehofft hatte. An einigen Stellen war das geschmeidige Ziegenleder bereits durchgescheuert und löchrig. Aber immerhin war es besser, solche Schuhe zu tragen als gar keine. Grein schlüpfte hinein und stellte zufrieden fest, dass sie ihm passten. Er stopfte sich den Rest des Schinkens in den Mund und machte sich dann auf den Weg in die Stadt, um sich in einem der neugebauten, noch nicht bezogenen Häuser am südlichen Stadtrand einen Schlafplatz für die Nacht zu suchen.
    Zufrieden stolzierte Grein mit federndem Schritt nach Haithabu. Besser hätte dieser Tag nicht enden können.
    Er war so sehr in Gedanken versunken, dass er die vermummte Gestalt erst bemerkte, als er beinahe gegen sie gerannt wäre.
    Grein schreckte zurück. «Was   … was willst du?»
    Die Gestalt deutete auf Greins Füße.
    «Meine Schuhe?» Grein hatte seine Fassung wiedergewonnen, und allmählich kehrte auch seine Selbstsicherheit zurück. Wer auch immer sich unter diesem schwarzen Umhang verbarg – Grein würde sich die neuen Schuhe nicht wegnehmen lassen.
    «Das sind meine, ich hab sie mir redlich verdient», protestierte er, während er sich so unauffällig wie möglich nach einem Fluchtweg umschaute. Vor ihm stand der Vermummte, links und rechts waren Häuser. Nur nach hinten war der Weg frei.
    Grein trat vorsichtig einen Schritt zurück und wirbelte mit einem Satz herum. Aber die Gestalt griff nach ihm

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