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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Theosophische Institut Humanos. Links war ein einstöckiges Gebäude mit Naturkiesfassade: ein Chiropraktiker, ein Notar und Versicherungsagent, ein auf »umweltfreundliche Exkursionen« spezialisiertes Reisebüro. Und daneben, an einem sonnigeren Plätzchen, stand ein würfelförmiger Bungalow aus Adobeziegeln mit einem Holzschild über der Tür.
    Celestial Café Goldene Sternchen tanzten um das Schild herum. Hinter den blauen Gingham-Vorhängen flackerte Licht. Es war schon fast drei Uhr, und ich hatte weder meinem Gehirn noch meinem Magen irgendwelche Nahrung zugeführt. In Zeiten wie diesen, dachte ich mir, konnte ein Bio-Muffin mit Kräutertee doch nicht so verkehrt sein.
    Aber die Schiefertafel über dem offenen Eingang zur Küche verriet, dass das Café auf traditionelle französische Küche spezialisiert war, es gab Crepes, Quiche, Souffles und Schokoladendessert. Und richtigen Bohnenkaffee, unglaublich.
    Eine Art New-Age-Musik mit Flöte, Harfe und klingenden Glöckchen dudelte aus den Lautsprechern, die in die niedrige Balkendecke eingebaut waren. Die Tischdecken auf den sechs oder sieben Tischen waren aus dem gleichen blauen Stoff wie die Vorhänge. Eine Frau mit kunstvoll geflochtenen grauen Haaren saß an einem der Tische und ließ sich etwas schmecken, das wie Ratatouille aussah. Sie trug ein pinkfarbenes Kle id im Knitterlook, darüber eine Wildlederjacke. Keine Bedienung in Sicht, nur eine korpulente Frau mit blassem Teint, die in der Küche Gemüse schnippelte. Sie trug eine weiße Schürze und ein blaues Kopftuch. Auf einer der sechs Kochplatten eines großen Gasherds stand eine gusseiserne Crepepfanne. Die Frau hatte gerade neuen Teig in die Pfanne gefüllt und legte nun das Gemüsemesser beiseite, um sich einen Topflappen zu schnappen, den Pfannenstiel zu fassen und durch geschicktes Drehen einen exakt kreisförmigen Fladen entstehen zu lassen. Sie ließ die Crepe auf einen Teller gleiten, klatschte pürierten Spinat darauf, würzte mit etwas Muskat nach, rollte das Ganze zusammen und stellte den Teller auf die Theke. Dann wandte sie sich wieder ihrem Gemüse zu.
    Die grauhaarige Frau stand auf und nahm den Teller.
    »Wunderbar, Aimée.«
    Die Köchin nickte. Sie schien um die Vierzig zu sein, hatte ein etwas schiefes Gesicht und hielt den Blick stets gesenkt. Die Haare, die unter dem Kopftuch hervorlugten, waren teils hellbraun, teils silbrig.
    Ich lächelte sie an. An ihrer Miene konnte ich keinerlei Reaktion ablesen, sie schnitt ungerührt weiter ihr Gemüse. Ich las die Speisekarte. »Ich glaube, ich nehme eine Crepe mit gemischtem Käse und einen Kaffee.«
    Sie drehte sich um und verließ die Küche durch eine Seitentür. Ich stand da und hörte der Flöte, der Harfe und den Glöckchen zu. Hinter meinem Rücken sagte die Frau mit den grauen Zöpfen: »Keine Sorge, sie kommt wieder.«
    »Ich hab mich schon gefragt, ob ich vielleicht was Falsches gesagt habe.«
    Sie lachte. »Nein, sie ist nur ein wenig schüchtern. Aber eine verdammt gute Köchin.«
    Aimée kam mit einem kleinen weißen Käselaib zurück. »Sie können sich setzen«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ich bring's Ihnen an den Tisch.«
    »Vielen Dank.« Ich riskierte noch ein Lächeln, und ihre Mundwinkel zuckten für einen Sekundenbruchteil nach oben, bevor sie die Crepepfanne auszuwischen begann.
    Die grauhaarige Frau war gerade fertig mit Essen, als Aimée mir meinen Teller, einen Becher Kaffee und das in eine dicke gelbe Stoffserviette gewickelte Besteck brachte. Sie ging zurück zu ihrem Gemüse, und die Frau mit den grauen Zöpfen sagte:
    »Bitte sehr, meine Liebe«, und legte ein paar Scheine auf den Tisch. Wechselgeld gab es offenbar nicht. Und nirgendwo im Café war irgendetwas von Kreditkarten zu lesen.
    Ich entfaltete die Serviette und warf einen Blick auf meinen Teller. Zwei Crepes.
    Mit dem Rücken zu mir sagte Aimée: »Sie müssen nur eine bezahlen. Ich hatte so viel Käse übrig.«
    »Danke«, sagte ich. »Die sehen ja lecker aus.« Tschok, tschok, tschok machte das Messer.
    Ich schnitt ein Stück von der ersten Crepe ab, steckte den Bissen in den Mund, und ein köstlicher Geschmack breitete sich auf meiner Zunge aus. Der Kaffee war der beste, den ich seit langem getrunken hatte, und das sagte ich ihr auch.
    Tschok, tschok, tschok.
    Ich war gerade mit der zweiten Crepe beschäftigt, als die Tür aufging und ein Mann eintrat. Er ging zur Theke.
    Er war klein und pummelig, weißhaarig, mit einem purpurroten

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