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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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die das Mordalbum für ihn abgeschickt hatte.
    Wie ich bereits zu Milo gesagt hatte, war Ojai eine Kleinstadt, und es war fraglich, ob Schwinn sich dort regelmäßig mit einer Frau getroffen haben könnte, ohne dass Marge es herausgefunden hätte. Aber vor seiner Heirat mit Marge hatte er in einem schäbigen Motel in Oxnard gewohnt. Marge hatte den Namen nicht erwähnt, doch sie hatte uns gesagt, wo Schwinn für einen Minilohn gejobbt hatte, und außerdem hatte Schwinn kein Auto besessen. Er hatte bei Randalls Westernladen den Müll rausgetragen. Das Motel musste also von dort zu Fuß zu erreichen sein.
    Das Geschäft gab es noch - am Oxnard Boulevard. Ich hatte die Küstenstraße genommen, weil es die schnellste Strecke war und mir nicht nach dem Freeway zu Mute war. Vom Sunset auf den Pacific Coast Highway, dann Richtung Norden die Küste entlang, nach Ventura hinein und an der Deer Creek Road vorbei, dann an den Campingplätzen von Sycamore Creek, fünfzehn Meilen staatliches Land, das bis an den Ozean heranreichte und sich zwischen dem letzten Privatstrand von Malibu und Oxnard erstreckte. Das Wasser war saphirblau unter einem Postkartenhimmel, und die Körper, die den Strand schmückten, waren braun und makellos.
    An der Las Posas Road angelangt, nahm ich nicht die Abzweigung nach rechts, die durch prächtig grünes Ackerland hinaufführt in die Berge von Camarillo, sondern blieb auf der Route 1. Sehr schnell wichen die Naturschönheiten schäbiger Tristesse, und fünfundsiebzig Minuten, nachdem ich von zu Hause losgefahren war, konnte ich die Sehenswürdigkeiten des Stadtzentrums von Oxnard bewundern.
    Oxnard ist eine merkwürdige Stadt. Der städtische Strand lockt mit einem Jachthafen, mit Luxushotels, Angeltrips und Bootsfahrten auf die Channel Islands. Aber im Kern ist der Ort von der Landwirtschaft und den Wanderarbeitern geprägt, die mit ihrer elenden Schinderei für reichlich gedeckte Tische im ganzen Land sorgen. Die Kriminalitätsrate ist hoch, und es stinkt nach Dünger und Pestiziden. Wenn man die Abzweigung zum Jachthafen passiert hat, ist der Oxnard Boulevard nur noch eine von billigen Grundstücken gesäumte Verkehrsader mit Wohnwagenplätzen, Kfz-Ersatzteillagern, Ramschläden, Taco-Bars, Tavernas mit lauter mexikanischer Musik und mehr spanischen als englischen Hinweisschildern.
    Randalls Westernladen war eine rote Scheune in der Mitte des Boulevards, zwischen Bernardos Batteriegeschäft und einer fensterlosen Bar, die sich El Guapo nannte. Reichlich Parkplätze hinter dem Haus - nur zwei Pickups und ein alter Chrysler 300 waren dort abgestellt.
    Drinnen roch es nach Leder, Sägemehl und Schweiß. Regale voller Jeans und Flanellklamotten reichten bis unter die Decke, Stetson-Hüte waren wie Waffeln übereinander gestapelt, Cowboystiefel und Gürtel wurden feilgeboten; in einer Ecke gab es Säcke mit Viehfutter, in einer anderen Sättel und Zaumzeug. Aus scheppernden Lautsprechern tönte der weiche Bariton von Travis Tritt, der irgendeine Frau von seinen ehrlichen Absichten zu überzeugen versuchte.
    Das Geschäft mit Westernklamotten lief schleppend an diesem Tag. Keine Kunden im Laden, nur zwei Verkäufer, beide weiß und in den Dreißigern. Der eine trug einen grauen Jogginganzug, der andere Jeans und ein schwarzes Harley-Davidson-T-Shirt. Beide standen hinter dem Tresen und rauchten, ohne sich durch mein Eintreten irgendwie aus dem Konzept bringen zu lassen.
    Ich sah mich ein wenig um, fand einen gepunzten Rindsledergürtel, der mir gefiel, ging damit zur Kasse und bezahlte. Der Harley-Mann kassierte mich ab ohne jeden Augenkontakt oder irgendein freundliches Wort. Als er mir meine Kreditkarte zurückgab, klappte ich meine Brieftasche auf und ließ ihn meinen LAPD- Gutachterausweis sehen. Es ist nur so eine Art Ansteckkarte mit dem LAPD- Abzeichen als Logo; viel kann man damit nicht anfangen, und wenn man genau hinsieht, weiß man, dass ich kein Cop bin. Aber die meisten Leute sehen nur das Abzeichen, und Harley bildete da keine Ausnahme.
    »Polizei?«, fragte er, als ich die Brieftasche zuklappte. Er trug seinen schlechten Haarschnitt wie ein Ehrenabzeichen, hatte einen Schnäuzer, dessen Enden bis zum Kinn herunterhingen, und eine belegte Stimme. Strähniges Haar und sehnige Arme mit ein paar verblassten Tätowierungen.
    Ich sagte: »Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht behilflich sein.«
    »Wobei?«
    Der Kollege im Jogginganzug blickte auf. Er war ein paar Jahre jünger als Harley, mit

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