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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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einem der ihren. Aber die Berichterstattung in der Lokalpresse über Poulsenns Tod war unterdrückt worden, und es hatte keine weiteren offiziellen Verlautbarungen gegeben.
    Kürzlich in das Revier Metro versetzt. Übersetzung: Poulsenn war auf den Ingalls-Fall angesetzt worden?
    Vor zwanzig Jahren hatten zwei IA-Leute Milo vernommen. Einer von ihnen hatte daraufhin Karriere gemacht, der andere war sieben Monate später tot gewesen. Ein Weißer, erschossen in einem schwarzen Viertel. Genau wie Boris Nemerov. Eiskalt hingerichtet, genau wie Boris Nemerov.
    Brandstiftung zur Vertuschung der Tat. Milo hatte laut über Feuer nachgedacht. Auch wenn er mit dem Rücken zur Wand stand, funktionierte sein sechster Sinn noch einwandfrei.
    Ich versuchte ihn anzurufen, erreichte ihn unter keiner seiner Nummern und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Es war ein schöner, milder Vormittag. Eine gute Zeit, um den Wagen zu waschen.
    Zwei Stunden später glänzte und funkelte der Seville so, wie ein 79er Seville nur glänzen und funkeln konnte, und ich raste durch das Valley in Richtung Glen. Ich hatte mich nicht mit oberflächlicher Sauberkeit zufrieden gegeben. Ich hatte den chesterfieldgrünen Lack gewachst und poliert, kleine Kratzer mit Lackspray überdeckt, die Reifen und die Radkappen abgeschrubbt, das beigefarbene Verdeck und die im gleichen Farbton gehaltenen Polster gereinigt, diese raffinierten kleinen Einsätze aus Holzimitat abgewischt und die Fußmatten gestaubsaugt und mit Shampoo gereinigt. Ich hatte den Wagen vor fünfzehn Jahren von der sprichwörtlichen kleinen alten Lady erworben (nicht aus Pasadena, wie in dem Song, sondern aus Burbank, einer pensionierten Lehrerin, die einen heißen Reifen fuhr). Seither hatte ich ihn sorgsam gehegt und gepflegt, aber die hundertfünftausend Meilen hatten dennoch ihren Tribut gefordert, und irgendwann würde ich mich zwischen einem Austauschmotor und einem neuen Auto entsche iden müssen. Überhaupt keine Frage. Es würde keine plötzlichen Sinnesänderungen mehr geben.
    Concourse Kfz-Instandsetzung war einer der vielen Betriebe entlang des Van Nuys Boulevard zwischen Riverside und Oxnard, die sich dem liebsten Spielzeug der Kalifornier widmeten. Eine ziemlich bescheidene Klitsche, kaum mehr als eine Doppelgarage mit Blechdach hinter einem offenen Parkplatz, auf dem es vor Chrom und Lack nur so blitzte. Über der Garage verkündeten rote Neonbuchstaben in Fraktur-Schrift:
    »SPEZIALLACKIERUNGEN, VERCHROMUNG, KOMPLETT-INSTANDSETZUNG«; darunter prangte eine phallisch aussehende Karikatur eines Ferrari-Coupes im selben Farbton. Ich stellte den Wagen am Straßenrand ab und schlängelte mich zwischen all den aufgemotzten und frisierten Karossen hindurch, vorbei an einer sehr weißen und sehr langen Mercedes-Limousine mit abgesägtem Dach, deren Innenraum mit einer blauen Plane abgedeckt war. Schon vor Jahren hatte der Staat Kalifornien die Verwendung von Sprühlack im Freien per Gesetz untersagt, doch hier bei Concourse war die Luft dick von chemischen Ausdünstungen.
    In der Mitte des Platzes waren zwei Männer in öligen T-Shirts und abgeschnittenen Hosen mit den Türen eines Stutz Blackhawk aus den siebziger Jahren beschäftigt, der in der Farbe edler Kupferbratpfannen lackiert war. Beide waren jung, kräftig gebaut und mexikanischer Abstammung, beide hatten rasierte Schädel und Schnauzbärte. Ihre Schutzmasken trugen sie lose um den Hals. Die Arme der beiden waren mit Tätowierungen übersät: primitive, eckige Muster in verblasstem Blau, Knastkunstwerke. Die zwei blickten kaum auf, als ich vorüberkam, beobachteten mich aber dennoch aufmerksam aus den Augenwinkeln. Mit meinem Begrüßungsnicken erntete ich schiefe Blicke.
    »Vance Coury?«, fragte ich.
    »Da drin«, sagte der Kräftigere der beiden und deutete mit dem Daumen auf die Garage. Er hatte eine hohe, schrille Stimme und eine tätowierte Träne unter einem Auge. Das bedeutete angeblich, dass man schon einmal jemanden umgebracht hatte, aber manche Leute geben eben gerne an. Dieser Bursche hatte eine gebeugte Haltung und ausdruckslose Augen. Er wirkte nicht gerade wie ein Angeber.
    Ich ging weiter.
    Als ich mich der Garage näherte, stellte ich fest, dass mein erster Eindruck mich getäuscht hatte. So klein war das Grundstück gar nicht - eine Durchfahrt führte links an dem Gebäude vorbei zu einem ungepflasterten Areal von rund zweitausend Quadratmetern, das von Maschendraht eingeschlossen und mit Bergen von

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