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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hatte.
    Darüber hatte Milo eine ganze Weile nachgegrübelt; hatte überlegt, wer dafür in Frage kommen könnte, aber alles, was er zu Stande gebracht hatte, war eine Abstraktion gewesen. Irgendein Arschloch, das noch nach Pierce Schwinns Tod nach dessen Pfeife tanzte und als sein verlängerter Arm wirkte. Jemand, der die Dreistigkeit besaß, Ricks Auto zu klauen und es frisch gewaschen und poliert zurückzubringen, versehen mit einem netten kleinen Geschenk.
    Vance Coury war in der Autobranche, war das nicht ein merkwürdiger Zufall? Aber Coury hatte mit Sicherheit nicht das Original-Mordalbum geschickt.
    Also war die Sache mit dem Porsche vielleicht so zu interpretieren, dass jemand ihn mit der Nase auf Coury stoßen wollte. Oder dachte er inzwischen schon viel zu kompliziert?
    Die Wut, die seit dem Auftauchen des ersten Mordalbums in ihm gewachsen war, begann allmählich zu brodeln.
    Coury. Der Bastard nahm immer deutlichere Konturen an, ein Sadist, ein Vergewaltiger und ein Kontrollfreak. Vielleicht die dominante Figur in der Gruppe. Wenn er und seine reichen Kumpels sich in die Enge getrieben fühlten, war es ihnen durchaus zuzutrauen, dass sie den Gegner in einen Hinterhalt lockten, ihm die Kehle durchschnitten und seine Leiche verbrannten. Einer Armee musste man mit einer Armee entgegentreten, und er hatte nur Alex.
    Er lachte lautlos. Oder vielleicht hatte er doch einen Laut von sich gegeben, denn die alte Dame am Tisch gegenüber blickte erschrocken auf und starrte ihn mit diesem ängstlichnervösen Ausdruck an, den die Leute kriegen, wenn sich jemand in ihrer Nähe seltsam benimmt.
    Milo lächelte sie an, und sie versteckte ihr Gesicht hinter der Zeitung.
    Er saß wieder einmal bei Du Par's im Farmers Market und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Vance Coury war ihm nicht aus dem Kopf gegangen, denn es war Coury gewesen, der Janie das erste Mal vergewaltigt und vielleicht auch die Situation herbeigeführt hatte, die mit ihrer Ermordung geendet hatte. Unter normalen Umständen hätte er den Kerl gnadenlos in die Mangel genommen. Aber… da ging ihm plötzlich ein Licht auf. Vielleicht gab es tatsächlich eine gefahrlose Methode, mehr über ihn herauszubekommen.
    Er warf ein paar Scheine auf den Tisch und verließ das Lokal. Die Blicke der alten Dame folgten ihm bis zur Tür.
    Die Shining Light Mission war in einem fünfstöckigen, maisgelb gestrichenen Backsteingebäude untergebracht, mit rostenden grauen Feuerleitern an den Seitenwänden. Keine Verzierungen, keine Simse, nur eine nüchterne Fassade ohne jedes Anzeichen von Gestaltungswillen. Es erinnerte Milo an das, was herauskommt, wenn man kleine Kinder auffordert, ein Haus zu zeichnen. Nur ein großes Rechteck mit kleinen Fensteröffnungen darin. Es war sogar ein wenig windschief. Als Hotel Grande Royale konnte das Haus seinem Namen keine Ehre gemacht haben.
    Alte Männer mit eingesunkenen Wangen und tränenden Augen, die es schon vor vielen Jahren aufgegeben hatten, sich selbst zu quälen, lungerten vor dem Eingang herum und begrüßten Milo mit der übertriebenen Freundlichkeit des eingefleischten Missetäters.
    Sie wussten haargenau, mit wem sie es zu tun hatten, unmöglich, dass man es ihm nicht ansah. Als er durch die Tür trat, fragte er sich, ob ihm die Aura des Polizisten immer noch anhängen würde, wenn er aus dem Dienst ausgeschieden war. Was ziemlich bald passieren konnte, es war der Karriere nicht gerade förderlich, wenn man sich mit dem Chef anlegte. Auch wenn es sich um einen unbeliebten Chef handelte, der vielleicht selbst bald gehen musste. Milo hatte die Zeitungen nach Artikeln über Broussard durchforscht, und an diesem Morgen hatte er in der Times schon wieder etwas entdeckt. Zwei Mitglieder des Polizeiausschusses hatten sich über die Ablehnung der Gehaltserhöhung für den Polizeichef ausgelassen. Sie stellten sich offen gegen den Bürgermeister, der sie immerhin ernannt hatte, und das ließ darauf schließen, dass sie es ernst meinten.
    »Chief Broussard steht für eine veraltete Polizeikultur, die zu wachsenden Spannungen innerhalb der Gemeinschaft beiträgt.«
    Politikerjargon, zu übersetzen mit: »Kannst schon mal deinen Lebens lauf umschreiben, J. G.«
    Broussard war kurz nach dem Rampart-Skandal ans Ruder gekommen, und der Ausschuss hatte seit her keinerlei Hinweise auf neue Korruptionsfalle verlauten lassen. Das Problem des neuen Polizeichefs war seine Persönlichkeit, die Arroganz, mit der er sich wieder und wieder den

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