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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Reifen, Stoßstangen, Kotflügeln, kaputten Scheinwerfern und anderem Müll übersät war. An der Rückwand der Doppelgarage waren zwei Sprühkabinen angebracht, und in der Nähe standen ein paar intakte Autos herum, aber ansonsten war das Gelände ein einziger Schrottplatz.
    Ich ging zurück zur Vorderseite. Das linke Garagentor war geschlossen und verriegelt, eine Wand aus Wellblech. Das Rechte war geöffnet, und auf dem Stellplatz stand eine rotweißblau lackierte Corvette Stingray mit amethystfarben getönten Fenstern, um dreißig Zentimeter verlängerter Schnauze, Heckspoiler und Zwanzig-Zoll-Reifen mit verchromten Felgen, die um einige Zentimeter über den Karosserierand hinausragten. Der Lack auf der Beifahrerseite war an mehreren Stellen mit Grundierungsfarbe verunziert, und ein dritter Latino mit rasiertem Schädel war damit beschäftigt, eine der Stellen mit Sandpapier abzuschmirgeln. Ein vierter Tattoo-Träger saß an einer Werkbank an der Rückwand der Garage und bediente eine Schweißpistole. Unverputzte Wände, Zementboden und nackte Glühbirnen bildeten die Inneneinrichtung, Benzinduft rundete die Atmosphäre ab. An der Wand hingen Autokalender und Poster von nackten Frauen mit üppiger Schambehaarung, fotografiert aus Perspektiven, die ein Interesse an Amateur-Gynäkologie verrieten. Der eine oder andere Hardcore-Schnappschuss ergä nzte die Fotoausstellung; irgendwer hatte hier eine Vorliebe für magere Blondinen, die benebelt in die Kamera glotzten und in unterwürfigen Posen Oralsex vollführten.
    Der Schmirgler ignorierte mich, als ich mich an der Corvette vorbeischob, den Funken der Schweißpistole auswich und den verschlossenen Teil der Doppelgarage betrat. Hier stand ein halber schwarzer Porsche-Roadster, fein säuberlich in der Mitte durchgesägt, sodass die Startnummer 8 auf der Tür in zwei Teile geschnitten worden war und nun wie eine 3 aussah. Hinter dem Rennwagen-Torso saß ein breitschultriger Mann an einem Metallschreibtisch, Telefonhörer unters Kinn geklemmt, und tippte eifrig auf einem Taschenrechner herum.
    Er war um die vierzig, hatte langes silberfarbenes Haar, das er glatt zurückgekämmt und hinter die Ohren gesteckt trug, dazu überraschend tiefschwarze Augenbrauen und einen ebenso schwarzen Ziegenbart. Die Glühbirne über dem Schreibtisch ließ seinen ohnehin schon olivgrünen Teint noch grüner aussehen. Unter den dunklen, finster blickenden Augen hingen schwere Tränensäcke, sein Hals war faltig und weich, und die Gesichtshaut hatte ebenfalls längst den Kampf gegen die Schwerkraft aufgegeben. Es war schwierig, noch Reste des gut aussehenden Highschool-Teenagers in ihm zu entdecken, und ich wollte ihn auch nicht allzu auffällig anstarren, denn Vance Coury ließ mich nicht aus den Augen, während er weiter telefonierte und rechnete.
    Ich ging auf den Schreibtisch zu. Ein kräftiger Hauch von Courys Moschus-Rasierwasser schlug mir entge gen, als ich mich ihm näherte. Er trug ein Hemd aus schwarzem Seidenkrepp mit weiten Ärmeln, die er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte, und einem hohen, steifen Kragen, der ihm fast bis an die Ohrläppchen reichte. An seinem Hals funkelte ein Goldkettchen, und an seinem dicken, behaarten Handgelenk prangte eine goldene Rolex mit dem Durchmesser einer kleinen Pizza.
    Er musterte mich, ohne meinen Gruß zu erwidern. Sprach weiter ins Telefon, hörte zu, redete wieder, hörte wieder zu, rückte den Hörer unter dem Kinn zurecht. Dabei tanzten seine Finger unablässig über die Tasten des Taschenrechners. Der Schreibtisch war mit Papieren übersät. Eine halb volle Flasche Corona diente als Briefbeschwerer.
    Ich ließ ihn sitzen und schlenderte zu dem halbierten Porsche hinüber. Der Wagen war vollkommen ausgeweidet, nur noch eine leere Hülle. Die Schnittkanten waren geglättet und überstrichen. Ein fertiges Produkt; niemand hatte die Absicht, dieses Fahrzeug wieder zusammenzusetzen.
    Noch so ein Zeugnis der Zerstörungswut der King's…
    »Hey«, ertönte eine raue Stimme hinter meinem Rücken.
    Ich drehte mich um. »Was wollen Sie?«, fragte Coury. Wachsam, aber desinteressiert. Eine Hand ruhte immer noch auf dem Taschenrechner. Die andere streckte er mir entgegen, mit der Handfläche nach oben, als ob er erwartete, dass ich etwas hineinlegte.
    »Mir schwebt da eine Sonderanfertigung vor.«
    »Um was für ein Auto handelt es sich?«
    »Um einen Seville, Baujahr neunundsiebzig. Sind Sie Mr. Coury?«
    Er beäugte mich misstrauisch.

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