Das Buch der Toten
trinken bekommen, bitte sehr?« Bert sagte: »Selbstverständlich.«
Ich schob Burns zurück in das grüne Schindelhaus. Das Wohnzimmer war sehr spärlich möbliert, nur eine Couch am Fenster und zwei leuchtend grüne Klappstühle. In zwei Ecken standen Stehlampen. Gerahmte Illustrationen aus Zeitschriften hingen schief an den mit Gipskarton verkleideten Wänden - impressionistische Gartenmotive. Zwischen den Stühlen war viel Platz für den Rollstuhl, dessen Gummireifen graue Spuren auf dem Fußboden hinterlassen hatten. Sie führten zu einer Tür in der gegenüberliegenden Wand. Kein Türknauf, nur eine aufgeschraubte Metallplatte.
Eine Schwingtür. Behindertenfreundlich.
Die Küche war ein zusammengewürfeltes Ensemble in der rechten Ecke: Schränke aus Kiefernholz, Arbeitsfläche aus Blech, ein Herd mit zwei Kochplatten, auf dem ein Topf mit Kupferboden stand. Bert nahm eine Flasche Diätlimonade aus dem bauchigen weißen Kühlschrank, kämpfte mit dem Verschluss, bekam ihn endlich auf und reichte Willie Burns die Flasche. Burns packte sie mit beiden Händen und trank sie in einem Zug halb aus. Bei jedem Schluck hüpfte sein Adamsapfel auf und ab. Dann drückte er das Glas an sein Gesicht, rollte die Flasche auf seiner Wange hin und her und atmete tief aus.
»Danke, Dr. H.«
»Gern geschehen, Bill.« Bert sah mich an. »Sie können sich ruhig setzen.«
Ich nahm auf einem der Klappstühle Platz. Das Haus roch nach Hickoryspänen und geröstetem Knoblauch. Über dem Herd hingen aufgefädelte Knoblauchzehen, daneben eine Kette aus getrockneten Chilischoten. Ich entdeckte noch andere Details: Gläser mit getrockneten Bohnen, Linsen und Pasta. Ein handbemalter Brotkasten. Gourmet-Akzente in einer Westentaschen-Kombüse.
Ich sagte: »Sie haben also keine Ahnung, wie das Mordalbum den Weg zu mir gefunden hat?«
Bert schüttelte den Kopf. »Ich wusste nicht einmal, dass Sie irgendetwas damit zu tun hatten, bis Marge mir erzählte, dass Sie und Milo sie aufgesucht und mit ihr über einen ungelösten Mordfall gesprochen hatten.« Er ließ sich auf dem zweiten Klappstuhl nieder, richtete sich aber wieder auf. »Gehen wir ein wenig an die frische Luft. Kommst du ein paar Minuten allein zurecht, Bill?«
»Kein Problem«, antwortete Burns.
»Wir sind draußen vor dem Haus.«
»Genießen Sie die schöne Aussicht.«
Wir spazierten im Schatten der Bäume, die das Haus umringten.
Bert sagte: »Was Sie wissen sollten, ist dies: Bill hat nicht mehr lange zu leben. Seine Nerven sind geschädigt, er leidet an Diabetes, Osteoporose, schweren Kreislaufproblemen und Bluthochdruck. Der Pflege, die ich ihm bieten kann, sind Grenzen gesetzt, und ins Krankenhaus geht er nicht. Die Wahrheit ist, dass ihm auf Erden nicht zu helfen ist. Zu viele Systeme sind zusammengebrochen.«
Er blieb stehen und strich sich über das purpurrote Revers. »Er ist mit dreiundvierzig bereits ein sehr alter Mann.«
»Wie lange kümmern Sie sich schon um ihn?«, fragte ich.
»Schon sehr lange.«
»An die zwanzig Jahre, würde ich schätzen.«
Er gab keine Antwort. Wir gingen weiter, langsam und ziellos, immer im Kreis. Aus dem Wald drang kein Laut. Nicht ein Ton von der Musik, die Willie Burns gehört hatte.
»Wie haben Sie ihn kennen gelernt?«, fragte ich.
»In einem Krankenhaus in Oxnard.«
»Dort, wo Sie auch Schwinn zum ersten Mal begegnet sind.«
Seine Augen weiteten sich.
Ich sagte: »Ich komme gerade von Marge.«
»Ah.« Psychologen unter sich… »Ja, das ist richtig«, fuhr er fort. »Aber es war kein bloßer Zufall, dass Pierce dort war. Er war schon eine ganze Weile hinter Bill her. Ohne großen Erfolg. Und nicht allzu konsequent, weil seine Amphetaminsucht ihn mehr oder weniger außer Gefecht gesetzt hatte. Ab und zu hatte er noch lichte Momente, und dann redete er sich ein, dass er immer noch ein Detective sei und ermittelte eine Weile vor sich hin, bis er sich irgendwann wieder seinem Laster hingab und in der Versenkung verschwand. Im Lauf der Jahre hatte er über seine Kontakte zur Unterwelt irgendwie herausgefunden, dass Bill sich an der Küste irgendwo nördlich von L. A. aufhielt. Er wusste, dass Bill auf medizinische Versorgung angewiesen sein würde, und schließlich fand er auch heraus, in welchem Krankenhaus er behandelt worden war, allerdings erst, nachdem Bill längst wieder entlassen war. Aber er trieb sich weiter in der Nähe herum und ließ sich sogar unter irgendwelche n Vorwänden stationär aufnehmen. Im
Weitere Kostenlose Bücher