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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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offener sein müsse, aber er ließ sich nicht umstimmen. Ihre ganze Beziehung funktionierte so, Alex. Beide redeten mit mir, und ich dolmetschte für sie. In dieser Hinsicht war sie die perfekte Frau für ihn, eigensinnig, selbstständig und wild entschlossen, ihre Privatsphäre zu verteidigen. Und er besaß ein ungeheures Beharrungsvermögen. Das war wohl mit der Grund, warum er als Detective so gut war.«
    »Glauben Sie, dass seine nächtlichen Panikattacken neurologische Ursachen hatten, oder war es die nicht abgeschlossene Vergangenheit, die ihm wieder zusetzte?«
    »Vielleicht beides«, erwiderte er. »Bei der Autopsie wurde nichts Ungewöhnliches festge stellt, aber das hat nichts zu bedeuten. Ich habe Gehirngewebe von obduzierten Leichen gesehen, das löchrig war wie ein Schweizer Käse, obwohl der Patient geistig und psychisch völlig normal gewesen war. Und umgekehrt kann man bei Menschen, deren neurologisches System total zusammengebrochen war, auf eine vollkommen gesunde Großhirnrinde stoßen. Im Kern entzieht sich die menschliche Natur eben der Logik. Haben wir beide uns nicht aus diesem Grund entschieden, Seelenärzte zu werden?«
    »Sind wir das denn?«
    »Das sind wir, mein Sohn, Alex, es tut mir Leid, dass ich Ihnen gegenüber nicht offen gewesen bin. Ich glaubte zu der Zeit, das Richtige zu tun. Aber dieses Mädchen… die Mörder laufen immer noch frei herum.« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Man will doch nur heilen, und am Ende macht man sich mitschuldig.«
    Ich legte die Hand auf seine schmale, weiche Schulter. Er lächelte. »Therapeutischer Körperkontakt?«
    »Freundschaft«, erwiderte ich.
    »Gekaufte Freundschaft«, sagte er. »Den Ausdruck haben Zyniker geprägt, um unsere Arbeit herabzusetzen. Manchmal wundere ich mich über die Richtung, die mein Leben genommen hat…«
    Wir schlenderten auf den Kiespfad zu.
    Ich sagte: »Welche Beziehung hat sich zwischen Schwinn und Burns entwickelt?«
    »Sobald ich mir sicher war, dass man Pierce vertrauen konnte, brachte ich ihn hierher. Sie haben sich unterhalten, haben einen Zugang zueinander gefunden. Später hat Pierce Bill geholfen. Er kam ab und zu vorbei, um das Haus zu putzen und mit Bill spazieren zu fahren.«
    »Und jetzt, da Pierce tot ist, ist Bill der letzte lebende Zeuge des Ingalls-Mordes.«
    Bert starrte auf die Erde und ging schweigend weiter.
    Ich sagte: »Sie nennen ihn Bill. Wie lautet sein neuer Nachname?«
    »Ist das so wichtig?«
    »Es wird letztlich doch alles ans Licht kommen, Bert.«
    »Wirklich?«, fragte er und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Er steuerte mit mir auf den freien Platz vor dem Haus zu. »Ja, so ist es wohl. Alex, ich weiß, dass Sie mit ihm sprechen müssen, aber wie ich schon sagte, er hat nur noch sehr wenig Zeit und wie bei den meisten ehemaligen Suchtkranken ist sein Urteil über sich selbst sehr hart.«
    »Ich werde das berücksichtigen.«
    »Das weiß ich.«
    »Bei unserem letzten Gespräch«, sagte ich, »legten Sie besonderen Nachdruck auf die Feststellung, da ss Heroinsüchtige nicht zur Gewalttätigkeit neigen. Damit wollten Sie mich von Burns' Fährte abbringen. Und auch von Caroline Cossack versuchten Sie mich abzulenken, als Sie betonten, wie selten es vorkommt, dass Mädchen oder Frauen sich an derartigen Sexualmorden beteiligen. Das ist alles unbestreitbar, aber wie sind die beiden dann zu Zeugen des Mordes geworden?«
    »Bill kam dazu, nachdem das arme Mädchen schon tot war, und sah, was sie ihr angetan hatten.«
    »War Caroline bei ihm?«
    Er zögerte. »Ja. Sie waren zusammen bei der Party. Sie durfte überhaupt nur zu der Party gehen, weil er sie beaufsichtigte.«
    »Er beaufsichtigte sie?«
    »Behielt sie im Auge. Ihre Brüder bezahlten ihn dafür.«
    »Ein Drogendealer als Babysitter für die verrückte kleine Schwester?« Bert nickte.
    Ich sagte: »Sie ließ sich also von Burns mitschleppen, folgte ihren Brüdern und deren Kumpels auf das Nachbargrundstück und stieß auf die Stelle, wo das Mädchen ermordet worden war. Die Mörder sahen sie und mussten befürchten, dass die beiden nicht schweigen würden. Caroline, weil sie wegen ihrer psychischen Probleme unzuverlässig war, Burns, weil er ein Junkie war. Aber anstatt Caroline zu beseitigen, sperrten sie sie in eine Anstalt. Wahrscheinlich, weil die Cossack-Brüder sich zwar an einem Mord beteiligt hatten, es aber dennoch nicht ganz übers Herz brachten, ihre eigene Schwester zu töten. Burns hätten sie ohne

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