Das Buch der Toten
Gerücht zufolge war sie am Freitagabend auf einer Party in der Westside.«
Dr. Schwartzman schüttelte den Kopf. »Da dürfen Sie mich nicht fragen. Ich habe diese Rowdys nicht aus der Nähe gesehen und hatte auch nicht das Bedürfnis. Ich bin gar nicht aus dem Haus gegangen. Ich habe mich nicht getraut, wenn Sie es genau wissen wollen. Ich war allein; Professor Schwartzman war zu einem Vortrag nach Chicago gefahren. Normalerweise macht mir das nichts aus; wir haben eine Alarmanlage, und wir hatten auch mal einen Akita.« Die Hand schloss sich fester um den Griff der Bürste; die Knöchel, groß wie die eines Mannes, traten hervor. »Aber an diesem Freitagabend war ich doch beunruhigt. Es waren so viele, und sie sind ständig rein und rausgelaufen und haben geschrieen wie am Spieß. Ich habe wie üblich den Sicherheitsdienst gerufen und habe den Männern gesagt, sie sollen bleiben, bis der letzte Barbar verschwunden ist. Aber trotzdem war ich nervös. Wenn sie nun zurückgekommen wären?«
»Aber sie sind nicht zurückgekommen.«
»Nein.«
»Sie sind also zu keinem Zeitpunkt so nahe herangekommen, dass sie einen der Jugendlichen hätten erkennen können?«
»Das ist richtig.«
Milo überlegte, ob er ihr nicht trotzdem das Foto der Toten zeigen sollte. Und entschied sich dagegen. Vielleicht war die Geschichte nicht in der Zeitung aufgetaucht, weil irgendjemand in den höheren Rängen es so wollte. Dr. Schwartzmans feindselige Haltung gegenüber den Cossacks konnte leicht weiteren Gerüchten Nahrung geben. Er handelte auf eigene Verantwortung und wollte nicht riskieren, aus Unkenntnis einen Riesenfehler zu begehen.
»Den Sicherheitsdienst«, sagte er. »Nicht die Polizei«
»Das machen wir so hier in Bel Air, Detective. Wir bezahlen den Sicherheitsdienst, also kommt er auch, wenn wir ihn brauchen. Ihre Behörde dagegen, unter den Gesetzeshütern scheint die Meinung verbreitet zu sein, dass die Probleme der… der vom Glück Begünstigten grundsätzlich trivial sind. Das habe ich auf bittere Weise erfahren müssen, als Sumi, mein Hündchen, ermordet wurde.«
»Wann war das?«
»Letzten Sommer. Jemand hat ihn vergiftet. Ich habe ihn hier gefunden.« Sie zeigte auf den Rasen vor dem Haus. »Jemand hat das Gartentor geöffnet und ihm mit Rattengift versetztes Fleisch zu fressen gegeben. Damals habe ich bei Ihrer Behörde angerufen, und irgendwann haben sie auch jemanden hergeschickt. Einen Detective. Angeblich.«
»Erinnern Sie sich an seinen Namen?«
Dr. Schwartzman schüttelte heftig den Kopf. »Warum sollte ich das? Er hat mich fast völlig ignoriert; es war ganz klar, dass er mich nicht für voll nahm. Hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, drüben zu klingeln, sondern die Sache gleich an den Tierschutzverein weitergegeben. Und alles, was die da angeboten haben, war Sumis Leiche zu entsorgen. Na, vielen Dank auch.«
»Die da?«, fragte Milo.
Dr. Schwartzmans Bürste zeigte auf das Partyhaus.
»Sie verdächtigen jemanden von den Cossacks, Sumi vergiftet zu haben?«
»Ich verdächtige niemanden, ich weiß es«, sagte Dr. Schwartzman. »Aber ich kann es nicht beweisen. Die Tochter. Sie ist verrückt, ganz eindeutig. Streicht hier herum und führt Selbstgespräche, den Kopf zwischen die Schultern gezogen und dann dieser irre Blick. Hat tagelang dieselben Sachen an. Und sie bringt schwarze Jungs mit nach Hause, da ist doch eindeutig irgendwas nicht in Ordnung. Sumi hat sie nicht ausstehen können. Hunde haben ein Gespür für Wahnsinn. Jedes Mal, wenn dieses irre Mädchen hier vorbeikam, hat Sumi sich fürchterlich aufgeregt und ist am Tor hochgesprungen, dann hatte ich meine liebe Mühe, ihn wieder zu beruhigen. Und ich sage Ihnen, Detective, so hat er sonst nie reagiert, wenn ein Fremder sich dem Haus genähert hat. Wachsam sind Akitas durchaus, dafür hat man sie ja. Aber auch brav und klug, die Cantwells hat er geliebt, und sogar an die Gärtner und den Briefträger hat er sich gewöhnt. Aber niemals an dieses Mädchen. Er hat genau gemerkt, wenn jemand nicht ganz sauber war. Er hat sie regelrecht verachtet. Ich bin sicher, dass sie ihn vergiftet hat. An dem Tag, als ich den Ärmsten gefunden habe, da habe ich auch sie gesehen. Aus einem Fenster im ersten Stock hat sie mich beobachtet. Hat mich mit diesen irren Augen angestarrt. Ich habe zurückgestarrt und ihr mit der Faust gedroht, und natürlich ist der Vorhang im nächsten Moment wieder zugefallen. Sie wusste, dass ich Bescheid wusste. Aber
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