Das Buch der Toten
gewellte Rasenflächen, eine ausgedehnte Klinkerterrasse und ein paar Blauhäher, die im Gras he rumpickten. Hinter einer der Hecken ein Glitzern wie von Glas, leere Flaschen und Dosen.
Die nächsten Nachbarn waren die im Süden, vom Haus der Cossacks durch die ausgedehnten Rasenflächen der beiden Grundstücke getrennt. Ein wesentlich kleinerer, akribisch gepflegter Bungalow, geschmückt mit Blumenbeeten und einer Reihe von Zwergwacholdern, zugeschnitten im japanischen Stil. Die Nordgrenze des Cossack'schen Grundstücks markierte eine drei Meter hohe Steinmauer, die sich gute dreihundert Meter weit den Stone Canyon hinaufzog. Wahrscheinlich ein Besitz von mehreren Hektar Größe mit einem riesigen Schloss in der Mitte, das man von der Straße aus nicht sehen konnte. Milo ging über den trockenen Rasen und die leere Auffahrt der Kolonialvilla auf die Vordertür des Bungalows zu. Eine Teakholztür mit einem glänzenden Messingklopfer in der Form eines Schwans. Zur Rechten ein kleiner Shinto-Schrein aus Zement neben einem winzigen, fröhlich plätschernden Bächlein. Eine sehr groß gewachsene Frau von Ende sechzig öffnete auf sein Klingeln. Kräftige Statur, majestätische Haltung, Rouge auf den verschwollen wirkenden Wangen, das silberne Haar am Hinterkopf so fest zu einem Knoten gebunden, dass es schon schmerzhaft aussah. Sie trug einen cremefarbenen Kimono mit handgemalten Reihern und Schmetterlingen. In der mit Leberflecken übersäten Hand hielt sie eine Haarbürste mit Elfenbeingriff und an den Spitzen schwarz lackierten Borsten. Selbst in ihren flachen Hausschuhen aus schwarzer Seide war sie fast auf Augenhöhe mit Milo. In hochhackigen Schuhen wäre sie eine Riesin gewesen. »Jaa?« Wachsame Augen, bedächtige Altstimme. Milo zog seine Marke. »Detective Sturgis, Mrs….«
»Schwartzman. Was bringt einen Detective nach Bel Air?«
»Nun, Ma'am, Ihre Nachbarn hatten am Freitag eine Party…«
»Eine Party«, wiederholte sie, als ob die Bezeichnung vollkommen abwegig sei. Sie deutete mit der Bürste auf das leer stehende Haus im Kolonialstil. »Das erinnerte mehr an Schweine, die in einem Trog wühlen. Die Cossacks, ein passender Name.«
»Passend?«
»Kosaken, Barbaren«, sagte Mrs. Schwartzman. »Eine Geißel der Menschheit.«
»Sie hatten schon öfter Probleme mit ihnen.«
»Sie haben noch keine zwei Jahre hier gewohnt, und in der Zeit haben sie das Haus und das Grundstück gründlich verkommen lassen. Das ist anscheinend das Muster, nach dem sie vorgehen. Einziehen, ruinieren, wieder ausziehen.«
»In ein größeres Haus.«
»Aber ja, selbstverständlich. Größer ist besser, nicht wahr? Sie sind eben richtige Plebejer. Ist auch kein Wunder, wenn man sich ansieht, womit der Vater sein Geld verdient.«
»Was macht er denn?«
»Er reißt historische Bauwerke ab und setzt groteske Konstruktionen an ihre Stelle. Schuhkartons, die vorgeben, Bürogebäude zu sein, und dann diese Scheußlichkeiten mit angebauten Parkhäusern, Einkaufszentren. Und sie, blond bis zum Gehtnichtmehr, mit dem verschwitzten Ehrgeiz der karrieresüchtigen Aufsteiger. Sie sind beide ständig unterwegs. Und keiner kümmert sich um ihre Brut.«
»Mrs. Schwartz«
»Dr. Schwartzman bitte, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Verzeihen Sie, Doktor«
»Ich bin Endokrinologin im Ruhestand. Mein Gatte ist Professor Arnold Schwartzman, er ist Orthopäde. Wir wohnen seit achtundzwanzig Jahren hier in diesem Haus, und sechsundzwanzig Jahre lang hatten wir wunderbare Nachbarn, die Cantwells. Er war in der Metallbranche, und sie ganz einfach die reizendste Person, die Sie sich vorstellen können. Die beiden sind im Abstand von wenigen Monaten gestorben; das Haus kam unter den Hammer, und diese Leute haben es gekauft.«
»Wer wohnt auf der anderen Seite?«, fragte Milo und deutete auf die Steinmauer.
»Offiziell Gerhard Loetz.«
Milo warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Der deutsche Industrielle.« Als ob das zum Allgemeinwissen gehörte. »Baron Loetz hat überall auf der Welt Häuser. Paläste, sagt man. Er ist nur selten hier. Ich habe nichts dagegen, so haben wir es hier schön ruhig. Baron Loetz' Anwesen erstreckt sich bis in die Berge hinauf - die Hirsche kommen zum Äsen herunter. Wir haben alle möglichen wilden Tiere hier im Canyon. Wir finden es wunderbar. Alles war perfekt, bis diese Leute nebenan eingezogen sind. Warum stellen Sie mir eigentlich all diese Fragen?«
»Ein Mädchen wird vermisst«, antwortete Milo. »Einem
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