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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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diesen Villen, Landhäusern und Häusern vorüberfahre, durchlebe ich die Existenzen all ihrer Bewohner. Durchlebe all diese häuslichen Leben zur gleichen Zeit. Ich bin Vater, Mutter, Kinder, Vettern, Dienstmädchen und der Vetter des Dienstmädchens, und all dies zugleich dank meines besonderen Vermögens, gleichzeitig verschiedene und unterschiedliche Dinge wahrzunehmen, gleichzeitig äußerlich beim Sehen und innerlich beim Fühlen das Leben verschiedener Geschöpfe mitzuerleben.
    Ich erschuf in mir verschiedene Persönlichkeiten. Ich erschaffe immerzu Persönlichkeiten. Jeder meiner Träume verkörpert sich, sobald ich ihn träume, in einer anderen Person, die ihn dann weiterträumt statt meiner.
    Um erschaffen zu können, habe ich mich zerstört; ich habe mich so sehr in mir selbst veräußerlicht, daß ich nur mehr äußerlich in mir existiere. Ich bin die leere Bühne, auf der verschiedene Schauspieler verschiedene Stücke spielen.

300
    Dreieckiger Traum
    In meinem Traum an Deck schreckte ich auf: Meine Seele eines fernen Prinzen durchfuhr eine kalte Vorahnung.

    Eine laute, bedrohliche Stille drang wie ein fahler Lufthauch in die sichtbare Atmosphäre des kleinen Raumes.

    All das rührt her vom unmäßigen, beunruhigenden Glanz des Mondscheins auf dem Ozean, der bereits nicht mehr einwiegt, sondern aufschreckt; und obgleich ich sie noch nicht hörte, wurde offenkundig, daß nahe dem Prinzenpalast Zypressen stehen.

    Das Schwert des ersten Blitzes kreiste unbestimmt im Jenseits … Der Mondschein über der hohen See ist blitzfarben, und all das bedeutet: nur Ruinen sind geblieben und eine ferne Vergangenheit vom Palast des Prinzen, der ich niemals war …

    Während das Schiff mit düsterem Rauschen zwischen den Wellenkämmen näher kommt, verdunkelt sich bleich der kleine Raum; nein, er ist nicht gestorben, ist nirgendwo gefangen, aber ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, dem Prinzen, welch eisig unbekanntes Ding ihm jetzt Schicksal ist …

301
    Willst du dir neue Empfindungen beschaffen, mußt du dir eine neue Seele erschaffen. Deine Mühe wird vergebens sein, wenn du anderes empfinden willst, ohne anders zu empfinden, und anders empfindest, ohne deine Seele zu ändern. Denn die Dinge sind, wie wir sie empfinden – wie lange weißt du das schon, ohne es zu wissen? –, und willst du Neues erlangen und Neues empfinden, mußt du Neues neu empfinden.
    Die Seele ändern? Wie? Finde es selbst heraus!
    Vom Augenblick unserer Geburt an bis hin zum Augenblick unseres Todes verändern sich Seele und Körper langsam. Finde ein Mittel, diese Veränderung zu beschleunigen, so wie sich auch unser Körper bisweilen schneller verändert, wenn er erkrankt oder gesundet.

    Lassen wir uns niemals herab, Reden zu halten, andernfalls könnte man glauben, wir hätten Meinungen oder ließen uns herab, mit dem Publikum zu reden. Wenn es sich interessiert, soll es uns lesen.
    Überdies ähnelt der Redner dem Schauspieler: ein Lakai der Kunst, den jeder ernsthafte Künstler verachtet.

302
    Ich habe bemerkt, daß ich immer an zwei Dinge zugleich denke und ihnen Aufmerksamkeit schenke. Ich glaube, alle Menschen sind ein wenig so. Es gibt Eindrücke, die so vage sind, daß wir erst später, weil wir uns an sie erinnern, wissen, daß wir sie gehabt haben; von diesen Eindrücken, glaube ich, entsteht ein Teil – vielleicht das Kernstück – aus der verdoppelten Aufmerksamkeit aller Menschen. Bei mir ist es so, daß die beiden Wirklichkeiten, auf die ich achte, gleiche Bedeutung besitzen. Darin besteht meine Originalität. Darin besteht vielleicht auch meine Tragödie und deren Komödie.
    Ich schreibe aufmerksam, über das Hauptbuch gebeugt, und meine Eintragungen stellen die nutzlose Geschichte einer obskuren Firma zusammen; gleichzeitig verfolgt mein Denken unvermindert aufmerksam die Route eines nicht vorhandenen Schiffes durch die Landschaften eines Orients, den es nicht gibt. Ich sehe beides gleichermaßen deutlich vor mir: das Blatt, auf dessen vorgezeichnete Linien ich sorgsam die Verse des kommerziellen Epos von Vasques & Co. eintrage, und das Schiffsdeck, auf dem ich ebenso sorgsam neben dem geteerten Linienblatt der Fugen zwischen den Planken die lange Reihe der Liegestühle und die ausgestreckten Beine der ruhenden Reisenden betrachte.
    (Sollte mich ein Kinderrad anfahren, so wird dieses Kinderrad ein Teil meiner Lebensgeschichte.)

    Dazwischen liegt das vorspringende Deckhaus; deshalb kann man nur die

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