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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Kirche, von der es nicht weiß, wo sie ist; es trägt einen Kindersamtanzug, das Gesicht zart gerötet unter den ersten Eindrücken, lächelnd, und die Augen über seinem zu großen Kragen sind nicht traurig.

440
    Der Himmel dieses nicht endenden Sommers erwachte Tag für Tag in einem matten Grünblau, das ein stilles Weiß bald aschfarben färbte. Im Westen jedoch war er von jener Farbe, wie man sie ihm im allgemeinen zuschreibt.
    Die Wahrheit sagen, suchen und finden, alle Illusion verneinen – wie viele machen davon Gebrauch, wenn sie den Boden unter ihren Füßen verlieren, und wie beschmutzen all die illustren Namen mit ihren Großbuchstaben – gleich denen auf Landkarten – den Scharfsinn der nüchternen Seiten, die wir gelesen haben!
    Das Kosmorama von Dingen, wenn morgen geschieht, was nie hätte geschehen können. Lapislazuli zusammenhangloser Emotionen! Weißt du noch, wie viele Erinnerungen eine falsche Annahme, eine schlichte Vorstellung bergen? In einem Delirium vager Gewißheit erhebt sich leicht, kurz und weich die Stimme des Wassers aller Gärten, eine Emotion aus den Tiefen des Bewußtseins meiner selbst. Die alten Bänke sind leer, und die Alleen, die sie säumen, verbreiten die Melancholie leerer Straßen.
    Nacht in Heliopolis! Nacht in Heliopolis! Nacht in Heliopolis! Wer wird mir die nutzlosen Worte sagen? Wer wird mich entschädigen mit Blut und Unentschiedenheit?

441
    8 .  9 .  1933
    Hoch blüht in nächtlicher Einsamkeit ein anonymes Licht hinter einem Fenster. Die übrige Stadt liegt im Dunkel, nur ein schwacher Widerschein steigt verschwommen von den Straßen auf und läßt hier und da ein umgekehrtes, geisterblasses Mondlicht schweben. Im Schwarz der Nacht heben sich die Häuser, ihre vielen Farben oder Farbtöne kaum voneinander ab; nur undeutliche, scheinbar abstrakte Unterschiede durchbrechen die Regelmäßigkeit dieses dichten Beieinanders.
    Ein unsichtbares Band verknüpft mich mit dem namenlosen Besitzer des Lichts. Es ist nicht der gemeinsame Umstand, daß wir beide wach sind: es kann nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, denn mein Fenster ist dunkel, und er könnte mich niemals sehen. Es ist etwas anderes, etwas, das nur mich betrifft und ein wenig mit meinem Gefühl der Einsamkeit zu tun hat, das mit der Nacht und der Stille einhergeht und sich dieses Licht als Halt wählt, weil es der einzig vorhandene ist. Weil es leuchtet, erscheint die Nacht so dunkel. Weil ich wach bin und im Dunkel träume, erscheint das Licht so hell.
    Alles, was existiert, existiert möglicherweise, weil etwas anderes existiert. Nichts ist, alles koexistiert: So und nicht anders ist es vielleicht. Ich spüre, daß ich jetzt nicht existierte – zumindest nicht so, wie ich existiere, mit meinem gegenwärtigen Bewußtsein von mir, das, weil es Bewußtsein und Gegenwart ist, in diesem Augenblick ganz und gar ich ist – wenn dieses Licht nicht leuchtete, dort, irgendwo, ein Leuchtturm, der keinen Weg weist, und mit dem scheinbaren Vorteil der Höhe. Ich fühle das, weil ich nichts fühle. Ich denke das, weil es nichts ist. Nichts, gar nichts, Teil der Nacht und der Stille und der Tatsache, daß ich wie sie nichtig, negativ und zwischenräumlich bin, Raum zwischen mir und mir, etwas, das ein Gott vergessen hat …

442
    Während einer dieser Zustände schlafloser Schläfrigkeit, in denen wir uns ohne Intelligenz intelligent vergnügen, überfliege ich nochmals einige jener Seiten, die als Summe mein Buch unzusammenhängender Eindrücke ergeben werden. Wie ein vertrauter Geruch geht für mich von ihnen etwas Ödes, Monotones aus. Auch wenn ich immer sage, ich sei ein anderer, fühle ich doch, daß ich immer das gleiche sage; daß ich mir ähnlicher bin, als ich mir eingestehen möchte, und daß ich bei Abschluß der Rechnung weder die Freude eines Gewinnes noch den Schock eines Verlustes erlebe. Ich bin die Abwesenheit des Saldos meiner selbst, das Fehlen eines natürlichen Gleichgewichts, und dies schwächt und betrübt mich.
    Alles, was ich geschrieben habe, ist grau. Man könnte meinen, mein Leben, selbst mein geistiges, sei ein Regentag, an dem alles Ereignislosigkeit und Halbdunkel ist, leeres Privileg und vergessener Grund. Ich gräme mich in zerrissener Seide. Erkenne mich nicht, weder im Licht noch in der Langeweile.
    Mein ärmliches Bemühen, zumindest zu sagen, wer ich bin, und wie eine Nervenmaschine kleinste Eindrücke meines subjektiven, hellbewußten Lebens zu registrieren, dies alles

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