Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
lest, werdet ihr verstehen, was ich schreibe. Alles Vergnügen entspringt dem Gehirn, und alle Verbrechen, die geschehen, werden einzig im Traum verübt! Ich entsinne mich eines schönen, wirklichen Verbrechens. Es wurde niemals begangen. Schön sind nur Verbrechen, die wir nicht kennen. Hat Cesare Borgia etwa schöne Verbrechen begangen? Glaubt mir, das hat er nicht. Wer aber zahlreiche, wunderschöne, einträgliche Verbrechen begangen hat, das war unser Traum von Borgia, die Vorstellung von Borgia, die uns innewohnt. Ich bin sicher, daß der wirkliche Cesare Borgia banal und dumm war; und dies zwangsläufig, da existieren nun einmal dumm und banal ist.
Ich gebe euch diese Ratschläge uneigennützig und wende meine Methode auf einen Fall an, der mich nicht persönlich betrifft. Ich träume von Macht und Ruhm; Sinnlichkeit hat in meinen Träumen keinen Platz. Doch ich möchte euch nützlich sein, wenn auch nur, um mich zu verdrießen, denn ich verabscheue alles Nützliche. Ich bin Altruist auf meine Weise.
Ratschläge für unglücklich verheiratete Frauen (II)
Ich habe mir vorgenommen, euch zu lehren, wie ihr eure Ehemänner im Geiste betrügen könnt.
Glaubt mir: Nur gewöhnliche Frauen betrügen ihren Ehemann wirklich. Schamgefühl ist eine Conditio sine qua non der sexuellen Lust. Sich mehr als einem Mann hingeben tötet das Schamgefühl.
Ich gestehe eurer weiblichen Minderwertigkeit ein männliches Wesen zu. Doch denke ich, jede Frau sollte sich zumindest auf einen Mann beschränken, den sie, wenn nötig, zum Mittelpunkt eines wachsenden Kreises imaginärer Männer macht.
Die beste Gelegenheit, dies zu tun, bietet sich an den Tagen unmittelbar vor der Menstruation.
Also:
Stellt euch euren Mann mit einem weißeren Körper vor. Gelingt euch dies, werdet ihr ihn weißer auf euch spüren.
Enthaltet euch jeglicher Anwandlung ungezügelter Sinnlichkeit. Küßt euren Gatten, wenn er auf euch liegt, und stellt euch rasch einen anderen vor: den Mann, der in eurer Seele auf euch liegt.
Das Wesen der Lust liegt in der Verdopplung. Öffnet in euch das Fenster zum Katzenhaften.
Wie man den Ehemann schikaniert .
Merkt: Dazu muß sich der Ehemann ab und an ärgern.
Vor allem aber lernt, Abstoßendes als anziehend zu empfinden, und bewahrt dabei die äußere Disziplin.
Die größtmögliche innere Disziplinlosigkeit ergibt zusammen mit der größtmöglichen äußeren Disziplin höchste Sinnenlust. Jede Bewegung, die einen Traum oder ein Verlangen verwirklicht , entwirklicht wirklich.
Ersetzen ist weniger schwierig, als ihr glaubt. Ich verstehe unter ersetzen jene Verfahrensweise, die es erlaubt, sich mit Mann A einen Orgasmus vorzustellen, während man mit Mann B kopuliert.
Ratschläge für unglücklich verheiratete Frauen (III)
Meine lieben Schülerinnen, so ihr denn getreu meine Ratschläge befolgt, wünsche ich euch wieder und immer wieder ausgiebigste Wollust mit dem , und nicht durch das Agieren des animalischen Mannes, an den Kirche oder Staat euch mit Bauch und Namen gebunden hat.
Um aufzufliegen, stößt sich der Vogel mit den Füßen vom Boden ab. Möge dieses Bild euch, meine Tochter, immerfort an das einzige geistige Gebot erinnern.
Eine lasterhafte Kokotte sein, ohne den Ehemann zu betrügen, nicht einmal mit einem Blick – das ist der Gipfel der Wollust, so es euch denn gelingt.
Kokotte im Inneren sein, den Ehemann im Innern betrügen, in der Umarmung, ihn küssen mit Küssen, die ihm nicht zugedacht sind – ja, ihr überlegenen Frauen, o meine geheimnisvollen Kopfwesen –, das ist wahre Wollust.
Warum erteile ich diese Ratschläge nicht auch Männern? Weil der Mann einer anderen Gattung angehört. Sofern er denn unterlegen ist, empfehle ich ihm, sich so vieler Frauen wie möglich zu bedienen: er möge dies tun und sich meiner Verachtung sicher sein, wenn […]. Der überlegene Mann hingegen braucht keine Frau. Seine Wollust bedarf keiner sexuellen Inbesitznahme. Eine Frau aber, selbst eine überlegene, könnte dies nie für sich geltend machen. Die Frau ist zutiefst sexuell.
Deklaration der Differenz
Die Dinge von Staat und Stadt haben keine Macht über uns. Es ist uns einerlei, daß Minister und Höflinge die Staatsgeschäfte falsch verwalten. All dies geschieht vor unserer Haustür wie Schlamm an Regentagen. Wir haben nichts damit zu tun, soviel es auch mit uns zu tun haben mag.
Ebensowenig gehen uns große Erschütterungen an, wie Kriege oder Krisen rund um die Welt. Solange sie
Weitere Kostenlose Bücher