Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Vermutlich hatten die Clubmitglieder inzwischen das Weite gesucht... oder sie lagen bewusstlos irgendwo in den Hinterräumen. Von Phillip fehlte jede Spur.
Victoria sprang über die Balkonbrüstung und landete wie beabsichtigt auf zweien der Vampire. Sie taumelten zu Boden, noch bevor sie die Gelegenheit bekam, zumindest einen von ihnen zu pfählen; mit einem Überschlag rollte sie von ihnen weg und kam wieder auf die Füße. Das Klirren von Metall auf dem Boden zog ihren Blick auf sich, und sie entdeckte, dass der Imperialvampir sein Schwert hatte fallen lassen, als Max ihn pfählte.
Sie schnappte es sich, vollführte eine Kreiselbewegung und schlug einem der Wächter mit einem einzigen Hieb den Kopf ab. Er zerfiel zu Asche, und sie wandte sich Max zu, der mühelos die drei anderen Vampire in Schach hielt. Als Victoria auf sie zukam, wurde sie von einem der drei bemerkt, und er stürzte zur Vordertür hinaus. Sie hielt ihn nicht auf, sondern machte sich stattdessen daran, die Hinterräume auf mögliche weitere Vampire - oder deren Opfer - zu überprüfen. Ihr Nacken war wärmer geworden, deshalb rechnete sie nicht damit, auf noch mehr Untote zu stoßen.
Stattdessen stieß sie auf vier Gentlemen, die offensichtlich Pharo gespielt hatten, bevor sie den Kampf gegen einen oder zwei Vampire verloren.
Victoria hatte noch nicht oft die Folgen einer Vampirattacke zu sehen bekommen; in der kurzen Zeit, seit sie ein Venator war, hatte sie sie meistens verhindern können. Aber selbst der Droschkenkutscher zwei Nächte zuvor war, obwohl man sich an ihm gütlich getan hatte, nicht so zerstört und verstümmelt gewesen wie diese vier Männer.
Ihr drehte sich der Magen um, als sie den Kartenraum betrat. Überall war Blut, und es durchtränkte die Luft mit seinem brutalen Geruch. Hemden und Jacken waren zerfetzt, Oberkörper und Kehlen aufgerissen, so als ob ein tollwütiger Hund mit Zähnen und Krallen über die Männer hergefallen wäre. Die weit klaffende Wunde eines der Opfer zeigte die Windungen blaugrauer Venen und die Muskeln in seinem übel zugerichteten Hals.
Vampire hatten von ihnen getrunken, aber sie hatten sie au ßerdem zerfleischt.
»Die Hölle kennt keine Wut wie die einer verschmähten Frau …«
Victoria drehte sich um. Max sah erschöpft aus, und sein dunkles Gesicht war so bleich, wie das bei seinem olivfarbenen Teint nur möglich war. Drei dunkle Flecken schimmerten feucht auf seinem schwarzen Mantel. Er hielt einen Pflock in der Hand.
»Ich nehme an, mit der Frau ist Lilith gemeint?« Victoria war stolz, dass ihre Stimme fest klang.
»Sie eine Frau zu nennen trifft es wohl nicht ganz, aber - ja, ich würde sagen, dies ist ihre Botschaft für uns.«
»Wir haben alle Vampire erwischt, bis auf einen, der geflohen ist. Gibt es irgendwelche Opfer, die gerettet werden können?«
Max schüttelte den Kopf.
»Phillip?«
»Er ist fort. Ich habe ihn in meiner Kutsche heimgeschickt, und kein Vampir würde es wagen, sie anzugreifen. Briyani weiß, was zu tun ist. Er wird ihn ein paar Stunden lang herumfahren, bevor er ihn zurück nach St. Heath’s Row bringt. Er hat die Anweisung, ihm etwas salvi zu verabreichen; Sie werden vor Ihrem Gatten zu Hause sein und können ihm somit jede beliebige Geschichte erzählen.« Sein Tonfall war angespannt.
»Max, Sie sehen aus, als würden Sie gleich umfallen.«
»Es ging mir schon schlechter. Lassen Sie uns von hier verschwinden, bevor die Gendarmen eintreffen. Ich habe keinen Bedarf, heute Nacht auch noch ihre Erinnerungen auszulöschen.«
Gemeinsam traten sie hinaus in die sternklare Neumondnacht. Es war friedvoll und warm, und die Straßen waren beinahe menschenleer. Nichts wies darauf hin, dass in dem schmalen Ziegelbau hinter ihnen gerade das Grauen Einzug gehalten hatte.
Kapitel 23
In welchem die Wahrheit ans Licht kommt
Max ließ nicht zu, dass Victoria seine Wunden untersuchte. Er knurrte sie an, als sie versuchte, seine Jacke zur Seite zu ziehen, um sie sich anzusehen. Also gab sie auf und ließ sich auf den abgewetzten Sitz der Droschke sinken, die sie hatten anheuern müssen, um nach Hause zu gelangen.
Der Horizont färbte sich gerade erst mit dem matten Grau-Gelb der aufziehenden Morgendämmerung. Victoria stieß unwillkürlich einen Seufzer der Erleichterung aus. Bis zur nächsten Nacht keine Vampire mehr, um die sie sich kümmern musste.
Nun war das Einzige, worum sie sich kümmern musste, ihr Ehemann.
Trotz der Tatsache, dass Max immer blasser
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