Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
nämlich während deines Kampfes gegen die Mächte des Bösen, die unsere Welt bedrohen.«
Victoria beobachtete, wie Kritanu ein Tischchen neben ihre Tante rückte und diese nach einer kleinen Karaffe griff, die mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. »Dieses geweihte Amulett, das aus dem Heiligen Land stammt und in Weihwasser aus dem Vatikan aufbewahrt wurde, wird dich stark machen.« Sie tauchte die Finger ein und zog einen kleinen, silbernen Gegenstand hervor: die vis bulla .
Trotz des dämmrigen Lichts konnte Victoria das winzige Silberkreuz erkennen, das an einem dünnen, silbernen Ring hing. Er war so schmal, dass er nicht einmal auf ihren kleinen Finger gepasst hätte.
Vor Victorias Augen fasste Kritanu nach einem dünnen Silberstift, der vielleicht so lang war wie eine Handfläche und so dünn wie eine Nadel. Er war sanft gebogen, so dass er ein Halbrund bildete. Kritanus Hände lagen warm an ihrem Bauch, und Victoria spürte, dass ihr Atem stoßweise ging. Er ging vorsichtig und schnell zu Werke, als er die Nadel mit einer einzigen, geschickten Bewegung durch den oberen Rand ihres Nabels stach. Eustacia reichte ihm die vis bulla , und er schob sie mit einem kleinen Ruck an ihren Platz.
Das Silberkreuz fühlte sich kalt an in ihrer Nabelgrube, doch der Schmerz des Durchstechens verebbte bereits. Tante Eustacia machte das Zeichen des Kreuzes über Victorias Bauch, dann knöpfte sie ihr das Kleid wieder zu. Die anderen Teilnehmer sprachen ein letztes Gebet, bevor sie anschließend einer nach dem anderen schweigend aus dem Zimmer gingen, um Eustacia und Victoria allein zu lassen.
»Dieses Geschenk wurde dir gegeben als Belohnung für ein Leben der Hingabe und für die Opfer, die du bringen wirst.
Solange dieses Amulett deine Haut berührt, wirst du in guter körperlicher Verfassung sein, und deine Verletzungen werden schnell heilen. Du wirst stark sein. Deine Bewegungen werden flink und kraftvoll, dein Geist wird scharfsinnig und klar sein. Es macht dich jedoch weder unsichtbar noch unsterblich.«
Sie half Victoria, sich aufzusetzen, dann zog sie sie an sich und umarmte sie erstaunlich kraftvoll. »Trage es immer bei dir, Victoria, und möge Gott dich beschützen, wenn du deine Arbeit tust.«
Kapitel 3
Miss Grantworth verrechnet sich
U nsere Debütantin hat die Aufmerksamkeit des begehrtesten Junggesellen von London geweckt!«, feixte die Herzogin von Farnham in entschieden unherzoglichem Ton, während sie das Tablett mit den Teehäppchen inspizierte. »Rockley konnte während der Abendgesellschaft bei den Rowefords keinen Moment den Blick von ihr wenden!«
»Er stand noch ein zweites Mal auf ihrer Karte, aber Victoria verschwand aus irgendeinem lächerlichen Grund, sodass er seinen Tanz nicht einfordern konnte«, erklärte Melisande missbilligend. Sie griff nach ihrem Lieblingsgebäck, einem Blaubeerhörnchen, und häufte Schlagsahne darauf. »Er wirkte äußerst enttäuscht. Ich konnte sie nirgendwo finden, und als sie schließlich
zurückkam, tischte sie mir irgendeine alberne Geschichte auf, dass sie einem der anderen Mädchen bei der Suche nach seinem Mantel behilflich gewesen wäre.« Mit einem verärgerten Seufzen nahm sie einen vornehmen Bissen von ihrem Gebäck, dann tupfte sie sich mit einer Serviette die Sahne im Mundwinkel weg. »Ich habe sie daran erinnert, dass ihre einzige Sorge darin bestehen sollte, einen passenden Ehemann zu finden, und dass diese anderen Mädchen nur Konkurrentinnen sind, nichts weiter.«
»War das nicht die Nacht, in der Mr. Beresford-Gellingham verschwand?«, fragte Petronilla, während sie das Tablett mit den Teeküchlein und Biskuits so misstrauisch beäugte, als befürchtete sie, dass ihr jeden Moment eines davon in die Hand springen und sich ihren schmalen Hals hinunterzwängen könnte. »Das ist der dritte Vorfall dieser Art in weniger als einem Monat!«
Winifred, die Herzogin, gab nichts auf Mellys Technik des gezierten Knabberns, sondern bevorzugte die einstufige Variante; dementsprechend war ihr Mund randvoll mit einem Zitronen-Basilikum-Plätzchen, sodass sie nur vehement nicken konnte. Sobald sie geschluckt und die letzten trockenen Krümel mit Tee hinuntergespült hatte, sagte sie: »Er ist einfach verschwunden, und man hat seither nichts mehr von ihm gehört! Niemand scheint auch nur die leistete Ahnung zu haben, wo er abgeblieben sein könnte.«
»Und dann diese grauenhaft verstümmelten Leichen mit den X-en auf der Brust!«, ereiferte sich
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