Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
hatte - im Blick eines tollwütigen Hundes, kurz bevor er erschossen wurde. Ein Lächeln umspielte den Mund des Vampirs.
»Sie sind das also. Der weibliche Venator.«
»Sie scheinen mir gegenüber im Vorteil zu sein«, entgegnete Victoria kühl. »Aber das ist unerheblich, da Sie nicht mehr lange genug hier sein werden, um viel davon zu haben.«
Ein leises Lachen entrang sich seiner Kehle, und sie sah das Aufblitzen von Fangzähnen. Seine Augen wurden schmal, die Pupillen verengten sich zu Stecknadelköpfen, und seine Iris glühte erst in einem blassen Pink, dann rubinrot.
»Ich habe noch nie vom Blut eines Venators getrunken. Es ist bestimmt eine interessante Erfahrung - und eine delikate.«
Ohne Vorwarnung stürzte er sich auf sie, mit Bewegungen, die so blitzschnell waren, dass es den Anschein hatte, als würde er von unsichtbaren Schwingen getragen. Seine Hände packten ihre Schultern. Überrascht ließ Victoria den Pflock fallen, und der Vampir lachte, als er auf seinen Stiefeln landete. Sein Griff war qualvoll, denn seine spitzen Nägel bohrten sich in ihr Fleisch, doch Victoria kämpfte mit aller Macht gegen den Schmerz und die Angst an.
Vor dir gab es nur drei weibliche Venatoren in den letzten hundert Jahren des Kampfes gegen Lilith. Zwei von ihnen starben grässliche Tode, kurz nachdem sie in ihr Vermächtnis eingeweiht worden waren und ihre vis bullae erhalten hatten .
Sie wollte verdammt sein, wenn sie Max die Genugtuung gab, die Dritte im Bunde zu werden.
Victoria riss den Kopf zurück, dann rammte sie die Stirn in das Gesicht des Vampirs, wobei sie Kritanu im Stillen dafür dankte, dass er sie diese Technik so viele Male hatte üben lassen. Sie fühlte das Brechen seiner Hakennase, als sie unter dem Angriff nachgab, und seine Reaktion auf den Schmerz gab ihr die Chance, sich aus seiner Umklammerung loszureißen. Sie bückte sich und schloss die Finger um das glatte Eschenholz ihres Pflocks, aber noch bevor sie sich wieder aufrichten konnte, hatte er sich erholt und stieß sie zu Boden.
Ihre duftigen, rosafarbenen Röcke umhüllten ihre Beine, während sie sich auf den Rücken rollte, dann glitten sie zur Seite wie Schlittschuhe auf Eis, als sie die Knie anzog und mit beiden Füßen gleichzeitig nach ihm trat. Sie traf den Vampir, der sie
umkreiste, an der Brust und katapultierte ihn gegen einen kleinen Tisch. Der Tisch kippte um, und sein ganzes Sammelsurium wurde über den Teppich verstreut. Der Vampir landete auf dem Boden, und Victoria hechtete ihm über den rauen Perserteppich hinterher, den Pflock einsatzbereit in der Hand.
Sie wollte ihn ihm gerade in die Brust stoßen, als sich von hinten etwas um ihren Hals legte: ein kräftiger, schlanker Arm, der in einen weißen Handschuh mündete. Blaue Röcke - eine Farbe, die nicht zu Victorias Kleid passte, umwogten ihre Füße.
Der Arm zog an ihr, und Victoria riss den Kopf nach hinten und drosch ihn der Frau ins Gesicht. Doch der männliche Vampir griff nun wieder nach ihren Schultern und zerrte sie nach unten zu seinen gebleckten Zähnen.
Victoria trat blindwütig, und nicht auf die bedächtige Weise, die Kritanu sie gelehrt hatte, um sich, während sie Panik in ihrem Herzen aufsteigen spürte. Zwei von ihnen! Sie war reingelegt worden!
Sie fühlte seinen heißen Atem an ihrem Hals, fühlte den Sog seiner Verlockung, sein Versprechen: wenn sie sich nur entspannen... loslassen würde... es würde keinen Schmerz geben, nur Wonne. Ekstase. Erlösung.
Sein Atem hypnotisierte sie; seine brennenden Augen durchbohrten sie voller Verheißung.
Sie spürte eine vage Bewegung hinter sich und dann einen Ruck, als er mit zornigem Knurren jemanden wegstieß. Die Frau, dachte sie unterbewusst. Er will mich für sich allein haben.
Das glatte Holz entglitt ihren Fingern. Er atmete wieder tief ein, saugte ihre Kraft in sich auf. Ihr wurde schummrig.
Sie schloss die Augen.
Kapitel 4
Der Durst des Marquis bleibt ungestillt
M aximilian schob sich an dem Butler vorbei, der ihn, wäre ihm die Chance zuteil geworden, angekündigt hätte, und hastete die ausladende, geschwungene Treppe im Haus der Dunsteads hinunter.
Irgendwo da draußen liefen zwei Wächtervampire frei herum, und so kam es, dass er nun diesem Grünschnabel von Venator nachjagen musste, der sich mehr dafür interessierte, seine Tanzkarte zu füllen und mit hübschen jungen Männern anzubändeln, als einen Pflock zu schwingen. Nur auf die geringe Gefahr hin, dass die Vampire sie zuerst
Weitere Kostenlose Bücher