Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Wissen nickte Victoria zustimmend.
Verbena knallte geradezu die Tür hinter sich ins Schloss, aus lauter Vorfreude, zu ihren neuen Freunden zurückzukehren, und Victoria war plötzlich ziemlich allein mit Sebastian Vioget.
Er streckte die Hand nach ihr aus, und sie musste sich beherrschen, um nicht zurückzuzucken; dann wurde ihr Kopf kühl und leicht, als er ihr den Hut abnahm.
»Das wollte ich schon tun, seit Sie hier hereingekommen sind.« Er warf ihn achtlos zu Boden. »Wenn jetzt nur noch...« Er langte hinter sie, und dieses Mal wich sie tatsächlich aus, als
seine Finger eine der Haarnadeln an ihrem Hinterkopf berührten.
Sebastian schnalzte mit der Zunge. »Ich gehöre zu den Männern, die es als Schande empfinden, dass Frauen ihre Haarpracht verstecken müssen.«
Victoria ertastete die Pistole in ihrer Tasche und zog sie heraus. Sie richtete sie nicht auf ihn, sondern zog sie einfach nur heraus, damit er sie sah. »Das mag durchaus sein, aber ich bin nicht länger an Ihren Ratschlägen meine Kleidung und Frisur betreffend interessiert. Wenn Sie mir nicht bei meiner Suche helfen können, werde ich mich verabschieden und jemanden finden, der das kann.«
Lachend ließ Sebastian die Haarnadel fallen. Victoria fühlte die schwere Masse ihres Haars nach unten gleiten und musste sich beherrschen, nicht nach hinten zu greifen, um es aufzufangen. »Sie erweisen sich Ihres Vermächtnisses als würdig, meine Liebe. Aber bevor wir unser Gespräch fortsetzen, würde ich gern Ihren richtigen Namen erfahren.«
Sie sah keinen Grund, ihn ihm nicht zu verraten. »Victoria. Und ich wüsste gern, weshalb Sie mich für einen Venator halten.«
»Ich habe von sehr vielen Dingen Kenntnis, einschließlich der Tatsache, dass Sie.... Oh, es ist also wirklich wahr.« Er griff wieder nach ihr, und noch bevor sie ihn aufhalten konnte, hatte er schon den hohen, gestärkten Kragen ihres Herrenhemds weggezogen. Er trug keine Handschuhe, und seine Finger fühlten sich warm an, als sie über ihren bloßen Hals strichen.
Victoria machte einen bedächtigen Schritt nach hinten. Sie würde nicht so reagieren, wie ihr Körper es wollte: ruckartig
und panisch. Sie würde Vioget nicht wissen lassen, wie sehr er sie aus der Fassung brachte mit seiner unangemessenen Art, sie zu berühren.
Sie war ein Venator und damit stärker als er. Wer auch immer er sein mochte.
»Werden Sie mir helfen, oder soll ich einfach gehen?«
»Und damit Gefahr laufen, dass Ihr Kollege da draußen Sie erkennt? Ohne Ihren Hut sehen Sie aus wie eine anmutige, junge Frau, die in die Kleidung ihres Bruders geschlüpft ist. Lächerlich und beleidigend für Ihre Schönheit. Die Krempe hat diese makellose Haut und die sanfte Linie Ihres Kinns verhüllt.« Er reichte ihr seinen Arm und wandte sich dem Gang zu, der sich vor ihnen erstreckte. »Ich bin sicher, dass Sie dieses Risiko nicht eingehen möchten. Allerdings frage ich mich, warum Sie nicht wollten, dass er Sie sieht?«
Victoria nahm seinen Arm zwar nicht, gesellte sich aber dennoch an seine Seite. Der Korridor war breit genug, dass sie nebeneinander hergehen konnten, ohne sich zu berühren, und dafür war sie dankbar. Allerdings wogte ihre ungebändigte Lockenpracht zum Rhythmus ihrer Schritte. »Kennen Sie ihn?« Sie nannte seinen Namen absichtlich nicht.
»Maximilian? Natürlich tue ich das. Er kommt gelegentlich hierher, und ich habe ihm gesagt, dass er als Gast jederzeit willkommen ist, solange er keine Unruhe stiftet oder Jagd auf meine Kundschaft macht. Genau wie ich meine anderen Kunden gewarnt habe, ihre Opfer nicht in meinem Etablissement zu suchen. Sehen Sie? Wir kommen alle prächtig miteinander aus.«
Sie gingen immer weiter, Victoria mit dem Spazierstock-Pflock
in der einen und der Pistole in der anderen Hand. Sie war zuversichtlich, für jede mögliche Gefahr gut gerüstet zu sein.
»Hier hinein, meine Liebe.« Er war vor einer Tür fast am Ende des Gangs stehen geblieben. Es gab noch eine zweite vis à-vis. Die beiden Türen schienen identisch zu sein.
Victoria presste die Finger um den Pflock, als sie über die Schwelle in einen hübsch möblierten Raum trat, der ein Studierzimmer zu sein schien. Bücherregale säumten die eine Wand; vor einer anderen stand ein Schreibtisch. Dann gab es in der Nähe eines offenen Kamins noch ein Sofa und zwei Sessel, die sich um einen niedrigen Tisch gruppierten. Der Holzboden war mit einem Teppich ausgelegt. Das einzig Befremdliche an dem Raum war die
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